Antibiotika bei Diabetes

Höheres Risiko für Unterzuckerung?

Jede achte Hypoglykämie bei älteren Diabetikern unter Sulfonylharnstoff-Therapie konnte in einer US-Studie auf die Einnahme bestimmter Antibiotika zurückgeführt werden.

Von Dr. Christine Starostzik Veröffentlicht:
Droht eine Hypoglykämie? Alte Menschen nehmen die Symptome oft nicht richtig wahr.

Droht eine Hypoglykämie? Alte Menschen nehmen die Symptome oft nicht richtig wahr.

© Konstantin Sutyagin / fotolia.com

GALVESTON. Das erhöhte Risiko für Hypoglykämien unter der Therapie mit Sulfonylharnstoffen ist bekannt. Interaktionen der Antidiabetika mit bestimmten Medikamenten verschärfen das Problem aber.

Trisha Parekh und Kollegen von der University of Texas, Gaverston, haben in einer retrospektiven Kohortenstudie Daten des Krankenversicherers Texas Medicare aus den Jahren 2006 bis 2009 von Patienten im Alter von mindestens 66 Jahren analysiert (JAMA Intern Med 2014; 174: 1605).

Wegen ihres Typ-2-Diabetes wurden die Patienten mit Glipizid oder dem in Deutschland nicht zugelassenen Glyburid behandelt. Gleichzeitig hatte ihnen ihr Arzt wegen einer Infektion ein Antibiotikum verschrieben.

Fast 40 Prozent mussten in die Klinik

Parekh und Kollegen suchten nach Zusammenhängen zwischen den aufgetretenen Hypoglykämien und einzelnen Antibiotika. 39,8 Prozent der Hypoglykämien erforderten eine Klinikeinweisung. 60,2 Prozent konnten in einer Notfallstation ambulant versorgt werden.

In der multivariaten Analyse ergab sich, unter Berücksichtigung von Patientencharakteristika und Indikation für die Antibiotikatherapie, das höchste Hypoglykämierisiko in den ersten 14 Tagen für Clarithromycin (Odds Ratio, OR 3,96). Die Rate von Unterzuckerungen unter dem Antibiotikum war also fast vervierfacht.

Die Mediziner errechneten, dass einer von 71 mit Clarithromycin behandelten Diabetikern eine schwere Unterzuckerung erleidet. Im Vergleich zu Antibiotika ohne Hypoglykämiegefahr (zum Beispiel Amoxicillin oder Cephalexin) wurde auch für Levofloxacin (OR 2,6), Sulfamethoxazol-Trimethoprim (OR 2,56), Metronidazol (OR 2,1) und Ciprofloxacin (OR 1,6) ein erhöhtes Risiko festgestellt.

Als weitere Risikofaktoren für schwere Unterzuckerungen erwiesen sich unter anderem ein hohes Alter, weibliches Geschlecht, mehrere Komorbiditäten sowie bereits vorausgegangene Hypoglykämien.

Im Jahr 2009 waren insgesamt 140.174 Typ-2-Diabetiker mit Glipizid oder Glyburid behandelt worden. 28,3 Prozent von ihnen erhielten zusätzlich mindestens eines der fünf Antibiotika, die im Zusammenhang mit Hypoglykämien stehen.

Insgesamt waren 5541 Hypoglykämien aufgetreten, die eine Notfallbehandlung erforderlich machten (3,9 Episoden/100 Patienten/Jahr). Bei 13,2 Prozent der betroffenen Patienten war die Verschreibung eines Risikoantibiotikums vorausgegangen.

Unterzuckerung kostet viel Geld

Schließlich kalkulierten Parekh und Kollegen noch die Kosten, die durch diese Hypoglykämien verursacht wurden. Sie kamen auf zusätzliche 30,54 US-Dollar für jede einzelne Unterzuckerung.

Die Mediziner geben zu bedenken, dass mittlerweile mehr Diabetiker wegen schwerer Unterzuckerungen stationär behandelt werden müssten als wegen Hyperglykämien.

Um die Zahl dieser Ereignisse zu verringern, müsse der Einfluss interagierender Medikamente bei diesen Patienten stärker beachtet und die Verwendung entsprechender Antibiotika bei Therapie mit Sulfonylharnstoffen stärker eingeschränkt werden.

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