Nutzenbewertung für Arzneimittel

Patienten mit Stimmrecht im Bundesausschuss?

Mehrfach hat die Deutsche Diabetes Gesellschaft die Praxis der frühen Nutzenbewertung kritisiert. Sie legt jetzt mit konkreten Forderungen nach: Systematische Beteiligung klinischer Kompetenz und Stimmrecht für Patienten.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

Die Bilanz der frühen Nutzenbewertung in der Diabetologie fällt enttäuschend aus. Anders als in der Onkologie ist es bei Diabetes schwierig, mit vorhandenen klinischen Studien den Nachweis zu erbringen, dass neue Wirkstoffe einen besseren Effekt auf die Verhinderung weit in der Zukunft liegender Spätkomplikationen haben. Häufig lautete die Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses daher: Ein Zusatznutzen im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie ist nicht belegt. Aufgrund des generischen Preisankers bleibt nach einer solchen Bewertung wenig Spielraum bei der Verhandlung über den Erstattungsbetrag – nicht selten wird dann ein derart betroffenes Präparat außer Vertrieb genommen.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft fordert daraus Konsequenzen, die nur der Gesetzgeber selbst wirksam ziehen kann.

Das eine ist die frühzeitige Einbindung der klinischen Kompetenz von Fachgesellschaften. Nach Auffassung der Deutschen Diabetes Gesellschaft soll die klinische Expertise der jeweiligen Disziplin frühzeitig, und zwar bei der Definition des medizinischen Standards, einbezogen werden. Dieser Punkt ist zentral, weil damit die Konditionen einer Nutzenbewertung festgelegt werden, insbesondere die zweckmäßige Vergleichstherapie. In der Vergangenheit wurde mehrfach die Rolle des GKV-Spitzenverbandes im gegenwärtigen Verfahren kritisiert, der aus ökonomischen Gründen ein Interesse daran hat, für die nach der Nutzenbewertung folgenden Verhandlungen über den Erstattungsbetrag ein möglichst niedriges Ausgangsniveau zu definieren. Diese Governance-Problematik hat der Gesetzgeber bislang nicht aufgegriffen. Die Einbindung von Fachgesellschaften würde an den Machtverhältnissen im Bundesausschuss zwar rein rechnerisch nichts ändern, aber zumindest argumentativ würde die Ärzteseite im Bundesausschuss damit aufgewertet.

Das Zweite ist die Rolle der Patientenvertreter im GBA. Die DDG fordert hier: "Die Patientenrelevanz sollte durch strukturierte und stimmberechtigte Einbindung von Betroffenen bei der Bewertung und Entscheidung deutlicher wahrgenommen werden."

Das wäre eine fundamentale Veränderung der Machtverhältnisse im GBA. Unklar bei der DDG-Forderung ist, ob sich das Mitentscheidungsrecht von Patienten nur auf die Nutzenbewertung von Arzneimitteln beziehen soll oder auf alle Entscheidungen des Bundesausschusses. Ein Spezialrecht, das sich nur auf Arzneimittelangelegenheiten konzentriert, wäre inkonsequent – eine Betroffenheit von Patienten gibt es auch bei Entscheidungen.

Bislang haben Patientenvertreter im Bundesausschuss lediglich ein Mitberatungs- und Antragsrecht. Das heißt: Die Kraft der Argumente zählt, und dies hat dazu geführt, dass der Bundesausschuss seit Einführung der Patientenvertretung transparenter geworden ist und Entscheidungen besser begründet.

Mit Einführung eines Stimmrechts für Patienten würde die bisherige Parität von Kostenträgern und Leistungserbringern, wo im Pattfall der neutrale Vorsitzende entscheidet, ausgehebelt. Aus dem GBA-Vorsitzenden mit Entscheidungsrecht würde ein kastrierter Moderator.

Ganz problematisch wäre eine Patientenbeteiligung unter Betroffenheitsgesichtspunkten. Abgesehen davon, dass dies organisatorisch kaum zu bewerkstelligen wäre – der Bundesausschuss würde damit auch zum Spielfeld von Partikularinteressen.

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