Schüler werden immer seltener Opfer von Gewalt

Raimund SchmidVon Raimund Schmid Veröffentlicht:

Präventionsprogramme an Schulen, die Gewalttätigkeiten und Aggressionen von Schülern eindämmen sollen, sind offenbar wirksam. Nach Darstellung von Professor Peter Wetzels, Kriminologe an der Universität Hamburg, sind die Übergriffe mit Verletzungsfolgen an Schulen seit 1998 um gut 25 Prozent zurückgegangen.

Belegt werde dies etw durch eine Studie in Greifswald. 1998 waren dort noch 20,7 Prozent aller Schüler in einem Zeitraum von zwölf Monaten vor der Befragung Opfer einer Gewalttat oder aggressiven Handlung von Mitschülern gewesen. 2002 war die Zahl der Übergriffe um ein Viertel gesunken.

Der rückläufige Trendwerde auch in anderen Studien untermauert, berichtete Wetzels beim 12. Kongreß für Jugendmedizin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Weimar. Bekräftigt wird dies auch vom Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts in Niedersachsen Christian Pfeiffer, der in der jüngsten Ausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gar über einen Rückgang der Jugendgewalt um ein Drittel seit 1998 berichtet.

    Jedoch nimmt die Brutalität unter jungen Schülern zu.
   

Mit entscheidend für diese Entwicklung ist nach den Erkenntnissen Wetzels’ der sich mehr und mehr wandelnde Erziehungsstil in den Familien. Während im Jahr 1992 noch 43 Prozent aller Eltern eine "schallende Ohrfeige" als probates Erziehungsmittel ansahen, sind dies im Jahr 2005 nur noch 15 Prozent der Eltern gewesen. Damit ist offenbar wohl auch die Hemmschwelle der Kinder für eigene Gewalthandlungen gesenkt worden.

Trotzdem werden heute mehr Gewaltdelikte von Jugendlichen polizeilich gemeldet als noch vor zehn Jahren. Wetzels führt dies darauf zurück, daß die Tendenz, Gewalttaten unter Schülern anzuzeigen, heutzutage deutlich stärker ausgeprägt ist als der Rückgang der Gewaltdelikte selbst.

Entwarnung konnte Wetzels in Weimar dennoch nicht geben. Die Zahl der Gewalttaten nehme zwar ab, Gewalt drohe aber immer mehr zu verrohen. Gerade die Brutalität unter jüngeren Schülern nehme zu, und auch Mädchen reagierten zunehmend aggressiver. Eine repräsentative Emnid-Umfrage kam in dieser Woche zu dem Ergebnis, daß jeder dritte Schüler Angst vor Gewalt an der Schule hat, jeder Fünfte wurde dort selbst schon mal angegriffen.

Für fatal hält Wetzels die Neigung von Eltern, immer häufiger die Beziehung zu ihren Kindern zu verweigern, indem sie entweder gar nicht mehr mit ihnen reden oder sie schlichtweg niederbrüllen. Dieser von den Eltern ausgelöste psychische Druck nehme heute mitunter derart demütigende Formen an, daß viele Kinder damit nicht mehr alleine fertig werden könnten.

Lesen Sie dazu auch den Hintergrund: Kinder- und Jugendärzte drängen auf obligatorische Vorsorge für Jugendliche zwischen 16 und 17 Jahren

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