Endokrine Orbitopathie

Teprotumumab: Gut fürs Auge, weniger gut fürs Ohr?

Der IGF-I-Rezeptor-Antikörper Teprotumumab, zugelassen in den USA, ist eine neue Therapieoption bei endokriner Orbitopathie. Doch wird das gute Ansprechen zulasten der Hörfähigkeit erkauft?

Christina OttVon Christina Ott Veröffentlicht:

Altdorf. Eine endokrine Orbitopathie (EO) ist ja bei sehr vielen Patienten mit Morbus Basedow nachweisbar. Die Symptome können mild bis moderat sein, bis hin zu einer schweren Visusbedrohung.

Bisher bekannt ist, dass hierbei zum einen Antikörper gegen den TSH-Rezeptor (TRAK) beteiligt sind. Und dass zum anderen der Überexpression des IGF-1-Rezeptors (Insulin-like growth factor 1) in den retrobulbären Fibroblasten und den B- beziehungsweise T-Zellen eine zentrale Rolle zukommt.

Zur Therapie ist seit Anfang 2020 in den USA der IGF-1-Rezeptor-Antikörper Teprotumumab (Tepezza®) zugelassen. Allerdings wurde bereits im Bericht des Advisory Boards der zulassenden Behörde FDA ein Hörverlust als unerwünschte Nebenwirkung einer Therapie mit dem Antikörper beschrieben, heißt es in einem Blog der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Berichtet wurde von einer Häufigkeit von Hörverminderungen bis zum -verlust bei etwa zehn Prozent der Patienten.

Bleiben die Hörschäden?

Inzwischen mehren sich allerdings Hinweise, dass das sehr gute Ansprechen des Antikörpers auf EO-Symptome bei weit mehr Patienten mit persistierenden Gehörschädigungen erkauft sein könnte. So fand ein Team um Dr. Andrea Lora Kossler von der Stanford University School of Medicine, Menlo Park, Kalifornien in einer kleinen Studie (J Endo Soc 2021; 5 Suppl 1 A839) bei 13 von 28 Patienten (entspricht 46 Prozent) otologische Symptome.

Die Studie wurde bei der ENDO 2021 (Endocrine Society’s annual meeting) präsentiert. Nachweisen konnte das Team unter anderem subjektiven Hörverlust, Tinnitus oder Ohrensausen, Verstopfungsgefühl im Ohr und Autophonie, ein ungewöhnlich lautes Hören der eigenen Stimme, sowie eine Patulöse Eustachische Röhre (PET), bei der der Kanal, der zwischen Mittelohr und hinterem Teil von Nase und Rachen verläuft, offen bleibt. Die Symptome entwickelten sich nach durchschnittlich 3,6 Antikörper-Infusionen. Sie waren innerhalb der Beobachtungszeit von drei Monaten zum Teil reversibel, zum Teil nicht.

In einer weiteren prospektiven Studie der Arbeitsgruppe, die beim virtuellen 60. Amerikanischen Schilddrüsenkongress (ATA) vorgestellt wurde, fanden sich sogar bei 81,5 Prozent der Behandelten (22 von 27) otologische Symptome (ATA 2021; Abstract 22). Diese blieben nach im Mittel 8,3 Monaten bei etwa der Hälfte der Patienten (55 Prozent) bestehen.

Weitere Studien nötig

Das Fazit der Autoren: „Der Hörverlust ist ein besorgniserregendes unerwünschtes Ereignis, dessen Mechanismus und Reversibilität weiter untersucht werden sollten. Bis die Risikofaktoren besser verstanden sind, empfehlen wir eine reine Ton- und Sprachaudiometrie mit PET-Test und Wiederholungstests, wenn sich neue otologische Symptome entwickeln. Screening-, Monitoring- und Präventionsleitlinien sind erforderlich“.

Im Blog der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie kommentiert Professor Helmut Schatz, niedergelassener Internist mit Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie in Bochum, die Ergebnisse: „In den USA wollten EO-Patienten diese bereits zugelassene Therapie auch dann weiter erhalten, als die Nebenwirkungen auf das Gehörsystem bekannt wurden; der Effekt auf die EO war für sie offenbar von höherer Bedeutung. Weitere Langzeitstudien werden zeigen müssen, wie das Nutzen-Risiko-Verhältnis für Augen versus Gehörsystem schlussendlich ausfallen wird.“ (otc)

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