Allgemeinärztin mit vermeintlichem Handicap

Dr. Ulla Schultens-Kaltheuner hat eine Praxis in Leverkusen, ist schwerhörig, geht mit dieser Tatsache souverän um und beschreibt ihre Erfahrungen in einem Buch.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Will mit ihrem Buch anderen schwerhörigen Menschen Mut machen: Allgemeinmedizinerin Dr. Ulla Schultens-Kaltheuner.

Will mit ihrem Buch anderen schwerhörigen Menschen Mut machen: Allgemeinmedizinerin Dr. Ulla Schultens-Kaltheuner.

© Bittmann

KÖLN. Wenn Dr. Ulla Schultens-Kaltheuner ihre Ruhe haben möchte, schaltet sie einfach ihr Hörgerät ab. Dann kann sie sich zum Mittagsschlaf in die Sonne legen, auch wenn der Nachbar mit dem Rasenmäher im Garten nebenan Krach macht.

Seit 20 Jahren leidet die Allgemeinmedizinerin, die eine Praxis in Leverkusen führt, an einer fortschreitenden mittleren bis hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit. Seit zwölf Jahren ist sie beidseitige Hörgerätträgerin. Die Arbeit in ihrer Praxis unterscheidet sich zwar in den meisten Situationen nicht von der ihrer Kollegen mit intaktem Hörvermögen. Aber manchmal ist sie auch eine Herausforderung. "Wenn ich mit den Patienten zu tun habe, muss es absolut ruhig um mich herum sein", sagt sie. "An einem lauten Ort wie dem Empfang könnte ich nicht arbeiten, zu viele Eindrücke und Geräusche strömen dann auf mich ein."

Ihr Sprechzimmer ist mit Teppichboden ausgelegt, damit Gesprochenes nicht hallt und sie ihre Patienten gut verstehen kann. "Die Kommunikation mit den Patienten ist konzentriert, ich muss mich ihnen richtig zuwenden, um ihr Anliegen zu verstehen", sagt Schultens-Kaltheuner. "Das ist ein Vorteil, denn das Gegenüber fühlt, dass ich ihm wirklich zuhöre und nicht noch nebenbei mit den Gedanken anderswo bin." Ihre Angestellten haben sich darauf eingestellt, dass sie schwerhörig ist und sie ab und zu Sätze mehrmals wiederholen müssen, bis die Ärztin alles verstanden hat.

"Als mir bewusst wurde, dass mein Hörvermögen tatsächlich unzureichend war, schämte ich mich für diese Unzulänglichkeit", sagt sie. "Ich hatte Angst, für dumm gehalten zu werden."

So geht es vielen Betroffenen, die sich eingestehen müssen, dass ihre Hörleistung nachlässt. Sie verdrängen das Problem lange und wenden verschiedene Tricks an, um sich nichts anmerken zu lassen. Mit ihrem kürzlich veröffentlichten Buch "Ich bin schwerhörig - und das ist auch gut so" möchte Schultens-Kaltheuner anderen schwerhörigen Menschen Mut machen, sich ihr Problem einzugestehen und etwas dagegen zu unternehmen.

Nicht jeder ihrer Patienten weiß, dass sie schwerhörig ist. Sie erzählt es auch nicht jedem. Wenn sie aber das Gefühl hat, dass ihr Gegenüber sie schwer versteht und offensichtlich Hörprobleme hat, will sie ihm mit ihrer Geschichte eine Brücke bauen, sagt sie. Es verleihe ihr als Ärztin Glaubwürdigkeit, wenn die Patienten merken, dass auch sie als Medizinerin nicht ganz gesund ist. "Meine Patienten empfinden es als entlastend zu wissen, dass ihre Ärztin jeden Tag persönlich erfährt, was eine körperliche Einschränkung bedeuten kann", sagt sie.

Mit Vorträgen vor Fachpublikum will Schultens-Kaltheuner auch andere Ärzte für das Thema sensibilisieren. Ärzte, die merken, dass ein Patient nicht mehr gut hört, sollten konkret nachfragen. "Es gibt ausgezeichnete Hörgeräte", sagt die Ärztin. "Die großen fiependen Ungetüme von früher sind passé."

Ulla Schultens-Kaltheuer: Ich bin schwerhörig, und das ist auch gut so. Verlagshaus Mainz, Aachen, 140 Seiten; 14,80 Euro, ISBN-10: 3810700495;

www.ichbinschwerhoerig.de/

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