Kommentar
Das europäische Dilemma
Es ist paradox: Europa ist uns fremd - und doch so selbstverständlich. Genau dieses Paradoxon könnte erklären, warum die Beteiligung an der Wahl zum EU-Parlament mit knapp 44 Prozent so niedrig ist. Aber merke: Auch US-amerikanische Präsidenten werden nur von der Hälfte der Wahlberechtigten gewählt.
Stehen sich in den USA zwei Persönlichkeiten und zwei Programme in einem über Monate zuspitzenden Wahlkampf gegenüber, so leidet die Wahl des EU-Parlaments am Fehlen zweier Merkmale: Es ist keine Wahl von Persönlichkeiten, und es ist keine Entscheidung über alternative europäische Politiken. Ersatzweise dominieren nationale Programme oder Probleme und Skandale (siehe Großbritannien!) den Wettbewerb um Sitze im europäischen Parlament.
Dieses Parlament wiederum ist dadurch charakterisiert, dass es sich primär als Kontrollinstanz und Widerpart der EU-Kommission sieht und nicht als Mehrheitsbeschaffer einer "EU-Regierung", die es ja nicht gibt. Dabei wird die konkrete Arbeit des EU-Parlaments weniger von Parteipolitik und mehr von Kooperation der Fraktionen geprägt. Es ist das Dilemma der EU, dass die Nachrangigkeit von Parteipolitik auch zur Konturlosigkeit führt.
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