Kommentar – Nach der KBV-Wahl
Neue Gesichter, aber alte Probleme
Betrachtet man das Personaltableau der KBV-Vertreterversammlung und des Vorstandes, so kann man von einem personellem Neustart sprechen. Nur der KBV-Vorsitzende selbst ist mit Dr. Andreas Gassen der Alte. Das ist eine Hoffnung, aber dennoch keine Garantie für einen wirklichen Neustart der Selbstverwaltungsorganisation für 160.000 Ärzte und Psychotherapeuten.
Notwendig ist ein interner Reinigungsprozess, der nur dann gelingt, wenn jedes Mitglied der Vertreterversammlung den Willen des Gesetzgebers, der im Selbstverwaltungsstärkungsgesetz artikuliert ist, ernst nimmt und praktiziert. Und das heißt: ernsthafte Kontrolle des Vorstandes, Anerkennung der persönlichen Haftung und Verantwortung. Dazu wird auch gehören, die Fehlentwicklungen in der Vergangenheit aufzuarbeiten, transparent zu machen und Instrumente für "good Governance" zu implementieren und zu praktizieren.
Nach den Jahren lähmender Auseinandersetzungen des ehemaligen Vorstandes ist dem auf nun drei Köpfe gewachsenen Gremium eine neue Qualität an Kooperation und Effektivität zu wünschen. Tatsache ist, dass der Gesetzgeber in vielen Entscheidungen nicht mehr auf die Gestaltungskraft, Kompetenz und Integrität der ärztlichen Selbstverwaltung vertraut: Das gilt etwa für die Terminservicestellen, etliche sanktionsbewehrte Vorgaben aus dem E-Health-Gesetz und natürlich für das Selbstverwaltungsstärkungsgesetz.
Zu den nachdenklich stimmenden Tatsachen gehört auch, dass die ärztliche Notfallversorgung den Vertragsärzten mehr und mehr entglitten ist, die Kliniken überfordert und Ressourcen verschwendet. Es wird viel Überzeugungsarbeit im politischen Berlin erfordern, wirksame Instrumente für eine Versorgungssteuerung zu entwickeln, die der beliebigen und bequemen Inanspruchnahme medizinischer Kapazitäten durch die Patienten Grenzen setzen.
Geradezu dramatisch ist der Kompetenzverlust der KBV und damit der niedergelassenen Ärzte in der Arzneimittelpolitik. Nach sechs Jahren AMNOG und früher Nutzenbewertung ist es nicht gelungen, die ärztliche Verantwortung auf die Indikationsstellung zu konzentrieren und die Frage der Wirtschaftlichkeit eindeutig Kassen und Herstellern zuzuweisen. Die Politik kneift, und zwar auch deshalb, weil sie ärztlicher Selbstverwaltung nicht vertraut. Am Ende sind dies auch schlechte Bedingungen dafür, dass junge Ärzte Versorgungsverantwortung in einer eigenen Praxis übernehmen.
Dem Bekenntnis zur Teamarbeit, das der neue Vorstand nach seiner Wahl am Freitag ablegte, müssen Taten folgen. Denn am Ende zählen nur Ergebnisse.
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