Pädiater beklagen Zwei-Klassen-Medizin
BERLIN (ras). Kinder aus sozialen Randgruppen sind in Deutschland zunehmend medizinisch unterversorgt. Darauf haben Mediziner beim 38. Kinder- und Jugendärztetag am Wochenende in Berlin hingewiesen. Dies führe zu einer Zweiklassenmedizin, die auch die Politik der Bundesregierung zurückzuführen sei, so die Pädiater.
Veröffentlicht:Verantwortlich für diesen Trend sei die anhaltende Unterfinanzierung ärztlicher Leistungen im GKV-System, monierte Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Viele Kollegen seien deshalb nicht mehr in der Lage, sich in Wohnvierteln mit einem hohen Anteil an Arbeitslosen, Migranten und anderen Randgruppen niederzulassen.
Mit den Honoraren, die die gesetzlichen Krankenkassen zahlen, sei es häufig nicht mehr möglich, Kindern aus benachteiligten Familien eine zuwendungs- und zeitintensive Medizin anzubieten. In einigen Stadtteilen von Berlin, Hamburg, Bremen, Köln und anderen Großstädten könne bereits von einer ärztlichen Unterversorgung gesprochen werden, sagte Hartmann. Besonders prekär sei die Lage für die Ärzte dann, wenn der Anteil der Privatpatienten völlig wegbreche. Dann, so Hartmann, "können viele unserer Kollegen nicht mehr überleben".
Eine Zweiklassenmedizin gebe es aber auch bei den Vorsorgeuntersuchungen für Kinder. Während Privatversicherte ab dem vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum 14. Lebensjahr einen gesetzlichen Anspruch auf jährliche Vorsorgeuntersuchungen haben, besteht dieser Anspruch für gesetzlich versicherte Kinder nicht.
Besonders klaffe hier im dritten Lebensjahr sowie im Alter von sechs bis elf Jahren eine Lücke, die auch von den Angeboten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes nicht geschlossen werden könne, sagte der BVKJ-Präsident. Hartmann forderte deshalb die Bundesregierung auf, die "Zweiklassenmedizin umgehend zu beenden" und die Vorsorgeangebote für Kinder und Jugendliche, die gesetzlich versichert sind, an die Offerten der Privaten Krankenversicherung anzugleichen.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Der Klage müssen nun Taten folgen