Deutscher Interdisziplinärer Notfallmedizin Kongress

Vom Anruf bis zum Notfallort: Wie lange braucht der Rettungsdienst?

Kommt es an einer öffentlichen Straße zum Notfall, soll in 15 Minuten Hilfe da sein. Der Anteil der Einsätze, bei denen das erfüllt wird, variiert deutlich. Die Branche trifft sich zu einem Kongress.

Von Christian Schultz Veröffentlicht:
Beim Deutschen Interdisziplinären Notfallmedizin Kongress in Koblenz werden Auswirkungen der anstehenden Krankenhaus- und Notfallreformen auf die Notfall- und Rettungsmedizin erörtert.

Beim Deutschen Interdisziplinären Notfallmedizin Kongress in Koblenz werden Auswirkungen der anstehenden Krankenhaus- und Notfallreformen auf die Notfall- und Rettungsmedizin erörtert.

© Boris Roessler/dpa

Mainz/Koblenz. Bei Notfalleinsätzen kommt es auf Minuten an. Deswegen gibt es dafür klare zeitliche Vorgaben. Der Anteil der Einsätze, bei denen das eingehalten wird, variiert in Rheinland-Pfalz regional allerdings recht deutlich, wie eine Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage aus der Landtagsfraktion der CDU ergibt.

Paragraf 8 des Landesgesetzes über den Rettungsdienst sowie den Notfall- und Krankentransport besagt, dass jeder an einer öffentlichen Straße gelegene Einsatzort in der Regel innerhalb einer Fahrzeit von maximal 15 Minuten nach dem Eingang des Hilfeersuchens bei der Leitstelle erreicht werden muss – die Hilfeleistungsfrist.

8:44 Minuten als Durchschnittszeit

Für die parlamentarische Anfrage hat das Ministerium den Zielerreichungsgrad für 2023 bei Rettungsdienstbehörden im Land erfragt, also den Anteil der Einsätze, bei denen die zeitliche Vorgabe eingehalten wurde. Quoten von über 97 Prozent wurden demnach in der Stadt Koblenz, in Zweibrücken, Ludwigshafen und Worms erreicht, die Landeshauptstadt Mainz liegt knapp unter 97 Prozent. Unter den Kreisen kommt Alzey-Worms mit 93,01 Prozent auf den höchsten Wert. Den niedrigsten Wert aller Kreise und kreisfreier Städte wies der Kreis Cochem-Zell mit 79,84 Prozent auf.

Im landesweiten Durchschnitt traf ein „notärztlich besetztes“ Rettungsmittel – also ein Fahrzeug oder ein Hubschrauber – im vergangenen Jahr nach 8:44 Minuten ein, also im Rahmen der Hilfsfrist. Noch darunter lag die durchschnittliche Fahrtzeit des jeweils „ersteintreffenden Rettungsmittels“, das war im Schnitt nach 8:11 Minuten vor Ort. Das kann dann Rettungswagen oder Notarztwagen gewesen sein, wie das Innenministerium erklärte.

Das Ministerium rechnet in seiner Antwort auch vor, wie viel Zeit für einzelne Schritte nach einem Notruf im Schnitt vergeht. Da ist zum einen die sogenannte Aufschaltzeit. Sie bemisst den Zeitraum zwischen dem Klingelsignal eines Anrufes bis zur Annahme des Anrufes – sie lag im Schnitt 2023 bei sieben Sekunden. 2:31 Minuten wurden durchschnittlich für die Einsatzbearbeitung benötigt, das ist das Zeitintervall von der Annahme des Anrufes bis zur Auswahl des Rettungsmittels.

Von dieser Auswahl bis zur Alarmierung vergingen dann noch mal im Schnitt sieben Sekunden, die durchschnittliche Ausrückezeit, die Zeit zwischen Alarmierung und tatsächlichem Ausrücken, lag wiederum bei 1:22 Minuten.

Kongress in Koblenz mit Innenminister

In der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz begann am Donnerstag zum Thema Notfallmedizin ein zweitägiger interdisziplinärer Kongress (DINK) mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus ganz Deutschland. „Die anstehenden Krankenhaus- wie Notfallreformen mit den direkten sowie indirekten Auswirkungen auf die Notfall- und Rettungsmedizin sind sehr vielschichtig“, heißt es etwa in der Einladung. „Lassen Sie uns auf dem Kongress dazu austauschen, denn wir benötigen Konzepte zur Umsetzung.“

Auch Landesinnenminister Michael Ebling kam nach Koblenz. Notfallversorgung sei Team-Arbeit, sagte der SPD-Politiker. „Das gilt auch für die Herausforderungen, die die aktuellen Bestrebungen zur Reform der Notfallversorgung mit sich bringen.“ Rheinland-Pfalz habe sich „auf den Weg gemacht“ und Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Notfallversorgung ergriffen. Zentral sei dabei, nicht nur Regeln aufzustellen, sondern auch die reale Situation zu messen. „So können wir simulieren, welche Vorteile eine neue Rettungswache konkret für die Notfallrettung vor Ort hätte. Diese Informationen der Versorgungsplanung helfen den zuständigen Rettungsdienstbehörden bei den Kreisen, Entscheidungen zu treffen.“

Projekt Telenotarzt in Ludwigshafen

Ebling hatte im vergangenen Jahr in Ludwigshafen das Projekt Telenotarzt gestartet. Die örtliche BG Klinik ist Standort für die erste Zentrale dieser Art im Bundesland. Mithilfe des Telenotarztes soll eine Beratung des Rettungsdienstes durch eine Notärztin oder einen Notarzt in Echtzeit per Telefon oder Videokonferenz ermöglicht werden. Ziel ist eine bessere Versorgung vor Ort. Manchmal genügt bereits eine Beratung und Diagnosestellung durch den Telenotarzt, um den Patienten ausreichend zu versorgen und weitere Schritte einzuleiten.

Das Projekt sei in der Erprobungsphase, sagte ein Sprecher der Klinik. „Derzeit betreuen wir den Bereich Vorderpfalz und arbeiten mit sechs Fahrzeugen.“ Vermutlich in der zweiten Jahreshälfte komme der Bereich Südpfalz um Landau dazu. Am Projekt ist unter anderem das Deutsche Zentrum für Notfallmedizin und Informationstechnologie (DENIT) am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) beteiligt.

Auch Selina Porsch, Pflegerische Bereichsleitung der Zentralen Notaufnahme an der BG Klinik Ludwigshafen, reiste nach Koblenz. „Mit dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zu einem gestuften System von Notfallstrukturen wurde bereits ein wichtiger und großer Schritt in der Notfallversorgung geschaffen“, sagte sie. Dringlichkeit und Relevanz der ambulanten und stationären Notfallversorgung sei in einigen Punkten aufgegriffen worden. „Jetzt gilt es, diese Ideen und Eckpunkte weiterzuentwickeln.“

Mit Einführung der Fachweiterbildung Akut- und Notfallpflege sei der Pflegeberuf deutlich gestärkt worden. „Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz regelt in ihrer Rahmenvorgabe die übergeordneten Weiterbildungsinhalte“, so Porsch. „Die Bedeutung des Arbeitsbereichs Notaufnahme ist angekommen. Berufspolitisch befinden wir uns jedoch noch am Anfang.“ (dpa)

Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Muskeltonus wieder ins Gleichgewicht bringen

© mantinov / stock.adobe.com

Muskulär bedingte Schmerzen

Muskeltonus wieder ins Gleichgewicht bringen

Den Schmerz an der Wurzel packen

© [M] pololia / stock.adobe.com | Mara Zemgaliete / stock.adobe.com

Muskelverspannung

Den Schmerz an der Wurzel packen

Einsatz von Pridinol bei muskulär bedingtem Rückenschmerz

Experten-Workshop

Einsatz von Pridinol bei muskulär bedingtem Rückenschmerz

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Antikörper macht‘s möglich

Zähne einfach nachwachsen lassen – wie beim Hai?

Digitalisierung und Medikamente

Apotheker entwickelt eigene E-Rezept-App

Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer