Depressionen im Alter

„Wir haben ein eklatantes Versorgungsdefizit“

Laut Gerontopsychiatrie- Expertin Dr. Valentina Tesky von der Goethe-Universität Frankfurt am Main können Case-Manager die entscheidende Schnittstelle für eine bessere Versorgung depressiver Senioren sein.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Dipl.Psychologin Dr. Valentina Tesky, Arbeitsbereich Altersmedizin der Goethe-Uni Frankfurt/Main.privat

Dipl.Psychologin Dr. Valentina Tesky, Arbeitsbereich Altersmedizin der Goethe-Uni Frankfurt/Main.privat

© privat

Ärzte Zeitung: Mit DAVOS entwickeln Sie das bundesweit erste Versorgungsmodell für Altenpflegeheimbewohner, die an Depressionen leiden. Ein bislang vernachlässigtes Problem?

Dr. Valentina Tesky: Ja – es kann sogar von einem eklatanten Versorgungsdefizit gesprochen werden. Depressionen sind nach der Demenz die zweithäufigste psychiatrische Erkrankung bei älteren und hochbetagten Menschen. Nach einer in Deutschland durchgeführten Studie haben etwa 30 Prozent der Pflegeheimbewohner eine akute Depression. Darüber hinaus leiden viele ältere Menschen unter subsyndromalen depressiven Symptomen. Diese werden häufig nicht erkannt, stellen aber gerade bei hochaltrigen Menschen ein Risikosyndrom für die Ausbildung klinisch manifester Depressionen dar.

DAVOS startet im Dezember. Eine zentrale Funktion übernehmen dann Pflegekräfte, die Sie zu sogenannten Case-Managern ausbilden. Was sind die Inhalte der Schulung?

Tesky: Erstens die Vermittlung der medizinisch-psychologischen Grundlagen zum Thema Altersdepressionen, zweitens die Verwendung eines Depressions-Screening-Instruments, drittens der Umgang mit depressiven Bewohnern und viertens die Organisation projektbezogener Aufgaben.

Die Case-Manager stellen darüber hinaus die wichtigste Schnittstelle zwischen Heim, Ärzten, Psychologen und Projektmitarbeitern dar und sollen als Multiplikatoren für ihre Kollegen das vermittelte Wissen weitergeben, so dass es auch nach der Intervention in den Pflegeheimen verbleibt.

Eine Aufgabe der Case-Manager ist es, die Heimbewohner auf Symptome einer Depression zu screenen. Wie gelingt das bei jenen, die sich nicht oder nur noch sehr eingeschränkt mitteilen können?

Tesky: Wir gehen davon aus, dass sich die Bewohner, die in die Studie mit einbezogen werden, mitteilen können. So sind zum Beispiel Menschen mit einer Demenz ausgeschlossen, bei denen krankheitsbedingt ein Verlust verbaler Kommunikationsfähigkeiten auftritt. Selbstverständlich benötigen auch Menschen mit Demenz eine Behandlung ihrer depressiven Symptomatik, doch dies kann das Projekt nicht leisten. Darüber hinaus können nur Personen teilnehmen, die in die Studie einwilligen können – und wollen.

Heimbewohner, bei denen eine Depression diagnostiziert wird, sollen eine Psychotherapie erhalten - gibt es darüber hinaus noch weitere Interventionen?

Tesky: Jeder Bewohner mit einer Depression bekommt individuell auf ihn zugeschnittene Module angeboten. Diese reichen von einer psychotherapeutischen Sprechstunde über Aktivierungsgruppen und speziellen Depressionsgruppen bis hin zur Einzel-Psychotherapie.

Die Indikationen hierfür stellen die psychologischen Psychotherapeuten, in Absprache mit den Bewohnern wird dann ein Behandlungsplan erstellt.

Welche Effekte erwarten Sie zum Ende des Projekts?

Tesky: Die primären Outcomes sind die Reduktion der Prävalenz depressiver Störungen und die Reduktion des Schweregrades depressiver Symptomatik.

Zu den sekundären Outcomes zählen die Steigerung von Lebensqualität, funktionellen Kompetenzen, sozialer Teilhabe und des Aktivitätsniveaus sowie eine Reduktion von Krankenhausaufenthalten. Zusätzlich soll das Case-Management-Programm nachhaltig implementiert werden.

Lesen Sie dazu auch: Im Heim und depressiv: Wege aus der Negativspirale gesucht Depressionen im Alter: „Wir haben ein eklatantes Versorgungsdefizit“ Depressive Senioren: Typische Symptome fehlen meist

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