Interview zur Notfallversorgung

„Zuständigkeitsgerangel hilft keinem“

Vertragsärzte und Kliniken müssen sich bei der Notfallreform zusammenraufen, fordert der Gesundheitsweise Ferdinand Gerlach.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Professor Ferdinand M. Gerlach ist Chef des Sachverständigenrats für das Gesundheitswesen.

Professor Ferdinand M. Gerlach ist Chef des Sachverständigenrats für das Gesundheitswesen.

© dpa Stephanie Pilick

Ärzte Zeitung: Angesichts der geplanten Reform der Notfallversorgung streiten Vertragsärzte und Kliniklobby um Zuständigkeiten. Zu Recht?

Professor Ferdinand M. Gerlach: Die rituellen und inhaltlich komplett überflüssigen Grabenkämpfe machen deutlich, wo das Problem liegt: Das sektorenegoistische Zuständigkeitsgerangel hilft keinem einzigen Patienten weiter und ist fataler Ausdruck der in Deutschland besonders ausgeprägten sektoralen Abschottung. Ziel der Reform muss daher sein, diese unselige und für die Patientenversorgung kontraproduktive Trennung zu überwinden.

Warum ist die Notfallversorgung überhaupt in Not geraten?

Gerlach: Die Notfallversorgung ist Ausdruck organisierter Verantwortungslosigkeit. Hier stoßen drei sehr unterschiedlich organisierte, kaum kooperierende Sektoren aneinander: Rettungsdienst, Notaufnahmen von Kliniken und Ärztlicher Bereitschaftsdienst. Es gibt keine bedarfsgerechte Steuerung aus einem Guss.

Viel zu oft ist es reiner Zufall, wo und wie die betreffenden Patienten versorgt werden. Notaufnahmen werden zunehmend von leicht Erkrankten „verstopft“. Es kommt zu vermeidbaren Wartezeiten, Kapazitäten für schwerer Erkrankte werden unnötig gebunden.

Herzstück der Reform sind die „Integrierte Notfallzentren“, kurz INZ genannt. Sinnvoll?

Gerlach: Neben gemeinsamen Leitstellen, in denen Rettungsdienst und Bereitschaftsdienst eine algorithmengestützte Ersteinschätzung und Einsteuerung in die richtige Versorgungsebene vornehmen, sollen niedergelassene Ärzte und Klinikärzte rund um die Uhr und unter einem Dach in INZ zusammenarbeiten. Da höchstmögliche Qualität angestrebt wird, sollen INZ nur an den regional jeweils bestgeeigneten Kliniken eingerichtet werden. Innerhalb der INZ wird an einem Tresen entschieden, wie Patienten bedarfsgerecht versorgt werden können.

Mehr zum Thema

Notfallversorgung

Reformpläne reißen Gräben auf

Eigener Leistungsbereich der GKV

Rettungsdienst vor der Reform

Das könnte Sie auch interessieren
Verschiedene Gesichter

© Robert Kneschke / stock.adobe.com / generated with AI

Seltene Erkrankungen

GestaltMatcher – Per Gesichtsanalyse zur Orphan Disease-Diagnose

Künstliche Intelligenz gilt auch in der Medizin als Schlüsseltechnologie, mit deren Hilfe zum Beispiel onkologische Erkrankungen stärker personalisiert adressiert werden könnten.

© Kanisorn / stock.adobe.com

EFI-Jahresgutachten 2024 übergeben

KI: Harter Wettbewerb auch in der Medizin

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Tag der Privatmedizin 2023

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Liste veröffentlicht

Endlich: Zi zeigt, mit welchen PVS Praxen zufrieden sind

Hotline, Website und Schulungen geplant

Lauterbach kündigt Gesetz zur Suizidprävention an

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)

Rote-Hand-Brief zu oralen Retinoiden

Lesetipps