Zwei Drittel aller Intensivstationen rationieren Leistungen

In Intensivstationen scheint versteckte Rationierung an der Tagesordnung. Auf jeder dritten Station werden Patienten gelegentlich wegen fehlender freier Betten abgelehnt, heißt es in einer Studie.

Von Katlen Trautmann Veröffentlicht:

LEIPZIG. Bei einer Befragung gaben Ärzte in zwei von drei Kliniken an, dass in ihrem Haus Versorgungsleistungen rationiert würden. Auf jeder dritten Station entscheide der Chefarzt persönlich, welcher Patient eine sehr teure moderne Therapie erhält. Das belegt eine Umfrage an 540 deutschen Kliniken. Gefragt hatte ein Forscherteam um Professor Joachim Boldt, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin am Klinikum Ludwigshafen.

Boldt, Kongresspräsident der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin in Leipzig, warnte vor diesem Hintergrund vor "versteckter Rationierung". Hierbei halten Kliniken beispielsweise die Zahl der Intensiv-Betten niedrig, um Kosten zu senken. Oder Operationen würden über Tage verschoben, weil kein Bett frei ist, berichtete Boldt. "Das Problem wird zunehmen, da wir immer ältere und kränkere Patienten haben", sagte Boldt bei der Tagung, auf der die Umfrage präsentiert worden ist.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) weist die Vorwürfe zurück. "Die Krankenhäuser rationieren nicht. Wir lassen uns diese Debatte nicht aufzwingen", sagte DKG-Sprecher Moritz Quiske. DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum wandte sich zugleich gegen jegliche Forderung nach Rationierung medizinischer Leistungen: "Die Schwierigkeiten bei der Kosten-Nutzen-Analyse für die Arzneimittel machen deutlich, dass weder über diese Wege noch über Prioritätenlisten die Probleme des Gesundheitswesens zu lösen sind."

Die Zahl der Intensivbetten in deutschen Kliniken habe von 1994 bis 2007 um elf Prozent von 20 971 auf 23 357 zugenommen. Im gleichen Zeitraum sei die Zahl der Belegungstage um 23 Prozent von 5,6 Millionen auf 6,9 Millionen gestiegen. Als Wege aus dem Engpass forderte Professor Boldt eine großzügigere Finanzierung von Intensivstationen durch Länderhaushalte und Krankenkassen.

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