E-Card-Ärger

Arbeitsgemeinschaft will Klagen bündeln

Viele Versicherte misstrauen der elektronischen Gesundheitskarte und ihrer Telematikinfrastruktur. Bislang blieben ihre Klagen vor den Sozialgerichten erfolglos. Hat eine Arbeitsgemeinschaft von Klägern nun Aussicht auf Erfolg?

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Eine Arbeitsgemeinschaft aus Versicherten streubt sich gegen die eGesundheitskarte: Sie helfen sich gegenseitig bei Klagen vor den Sozialgerichten.

Eine Arbeitsgemeinschaft aus Versicherten streubt sich gegen die eGesundheitskarte: Sie helfen sich gegenseitig bei Klagen vor den Sozialgerichten.

© Bernd Thissen / dpa

Vor rund sechs Jahren rollte die bundesweit erste Klage gegen die elektronische Gesundheitskarte (eGK) an. Ein Versicherter aus Wuppertal begehrte, auch ohne die neue Karte am Sachleistungsprinzip seiner Krankenkasse teilzunehmen. Schon der Stammdatenabgleich liefere etwa über den Zuzahlungsstatus Informationen über die Teilnahme an einem DMP, sagte damals sein Anwalt. Auch dem Argument der Freiwilligkeit der Anwendungen traue der Versicherte nicht.

Das war im Spätsommer 2010. Erst ein Jahr später war das zuständige Sozialgericht (SG) Düsseldorf - wegen Terminengpässen - bereit, über den Fall zu verhandeln. Das Urteil ( Az.: S 9 KR 111/09) folgte schließlich im Juni 2012: Das Gericht lehnte die Klage ab. Bei den Pflichtangaben auf der Karte sei das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht eingeschränkt, so die Einschätzung des SG Düsseldorfs.

In der Zwischenzeit haben sich mehrere Sozialgerichte mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigt: Mal ging es den Versicherten darum, dass sie kein Foto auf der Karte haben wollten, mal wurde auch die Datensicherheit und wie im Wuppertaler Fall das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als gefährdet angesehen. Bislang blieben solche Klagen ohne Erfolg.

Gegenseitige Unterstützung

Nach Wunsch der "Arbeitsgemeinschaft gegen die elektronische Gesundheitskarte und Telematikinfrastruktur" soll sich das ändern. Die AG besteht aus bislang zehn Klägern. "Der Widerstand gegen die elektronische Gesundheitskarte ist immer noch im vollen Gange", so Monika Laubach, die Mitinitiatorin der AG ist. Doch bislang könne niemand die genaue Zahl der eingelegten Klagen beziffern. Die AG ruft daher die Versicherten, aber auch Ärzte dazu auf, sich bei ihr zu melden.

In der Arbeitsgemeinschaft unterstützten sich die Kläger untereinander durch Klagetexte und Stellungnahmen an Gerichte. Darunter, das zeigt die Website der AG (www.meinegklage.de), sind auch die Stellungnahmen von Kassen.Eine Rechtsberatung mache die AG nicht, stellt Laubach klar.

Der Widerstand gegen die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums sei "dringend erforderlich", sagt Rolf D. Lenkewitz, der Systemadministrator gehört ebenfalls zu den Initiatoren der AG. Die Erhebung der Daten erfolgt seiner Meinung nach in einem bisher nicht bekannten Umfang - mit neuartigen technischen Möglichkeiten und ohne ausreichende Zustimmung der Versicherten.

Bescheidene Aussichten auf Erfolg

Die Aussichten auf Erfolg dieses Widerstandes sind allerdings mehr als bescheiden. Ein Rentner aus Nordhessen hat es immerhin schon geschafft, den Weg durch die Instanzen bis hin zum Bundessozialgericht zu gehen. Auch er fürchtete den Missbrauch seiner persönlichen Daten und wollte der Kasse kein Foto bereitstellen.

Noch Ende 2014 bestätigte das BSG die Rechtmäßigkeit der elektronischen Gesundheitskarte mit Lichtbild und Datenchip (wir berichteten) - seit 2015 ist die Karte Pflicht für alle Versicherten. Dabei betonten die Kasseler Richter (Az.: B 1 KR 35/13 R) noch einmal explizit, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung "nicht schrankenlos" gelte.

Eingriff in Persönlichkeitsrechte erfolge durch "überwiegende Allgemeininteressen"

Der Eingriff sei "durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt". Sowohl das Foto als auch der Online-Abgleich der Versichertenstammdaten würden helfen, Missbrauch zu verhindern. Auch die geplante freiwillige Verwendung des Datenchips für medizinische Angaben begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, so die BSG-Richter. Denn dies solle nur mit zusätzlicher Zustimmung des Patienten geschehen.

Um das BSG hier umzustimmen, müsste man trotz mittlerweile neuer technischer Verfahren tatsächlich die Stecknadel im Heuhaufen finden. Der Gesetzgeber hat im Sozialgesetzbuch V (SGB V) und im E-Health-Gesetz, das seit Anfang des Jahres in Kraft ist und die eGK samt Telematikinfrastruktur mit einem festen Zeitplan samt Sanktionen für Selbstverwaltung und Leistungserbringer endlich vorantreiben soll, sauber gearbeitet.

So besagt Paragraf 291a SGB V eindeutig, dass - abgesehen vom Stammdatenabgleich - für die Anwendungen der eGK der Versicherte zunächst gegenüber einem zugriffsberechtigten Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeuten oder Apotheker seine Einwilligung erklären muss.

Frewilligkeit der Kartenanwendung?

Dass die Freiwilligkeit der Anwendungen ernst gemeint ist, zeigt sich auch daran, dass die Einwilligung jederzeit widerrufen und auf einzelne Anwendungen beschränkt werden kann. Auch im E-Health-Gesetz wird bei den zusätzlichen Anwendungen wie dem Medikationsplan von Ansprüchen der Patienten gesprochen, was eine Freiwilligkeit impliziert. Und auch hier kann der Patient bestimmen, ob etwa bestimmte Verordnungen nicht auf den Plan sollen.

Das SGB V stellt außerdem noch einmal explizit klar, dass die Regeln des Datenschutzgesetzes gelten. Damit ist der Rahmen, in dem sich die eGK und die Telematikinfrastruktur bewegen relativ wasserdicht. Und es ist den Versicherten, die am Sachleistungsprinzip teilnehmen wollen, durchaus zuzumuten, in gewissem Rahmen mitzuarbeiten.

Angreifbar wären höchstens Fehler bei der Umsetzung der Telematikinfrastruktur. Doch auch hier wurde mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ein Wächter installiert, der sehr hohe Anforderungen an Datentransport und Datenhaltung stellt.

Das zeigt sich nicht zuletzt an den derzeitigen Verzögerungen beim Start der Online-Tests (wir berichteten). Diese liegen laut Industriekreisen hauptsächlich daran, dass die Kartenlesegeräte, die im Einsatz sind, derzeit eben noch nicht den BSI-Anforderungen vollumfänglich gerecht werden.

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