MVZ für Diabetiker: Gründer sieht sich in der Honorarfalle

16 Ärzte aus acht Fachgruppen versorgen im Hamburger MVZ medicum - aufeinander abgestimmt - rund 5000 der 180.000 Diabetiker der Hansestadt. Honorarpolitisch sieht sich der Arzt und MVZ-Gründer Dr. Matthias Riedl für seine Effizienz abgestraft. Eine Expansion schiebt er erstmal auf die lange Bank - der Honorarpolitik wegen.

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medicum-Gründer Dr. Matthias Riedl sieht für sein MVZ noch Wachstumspotenzial - wenn die Rahmenbedingungen nur stimmten.

medicum-Gründer Dr. Matthias Riedl sieht für sein MVZ noch Wachstumspotenzial - wenn die Rahmenbedingungen nur stimmten.

© Dirk Schnack

Von Dirk Schnack

HAMBURG. Als Dr. Matthias Riedl vor vier Jahren seine gut besuchte Schwerpunktpraxis in ein MVZ umwandelte, ermöglichte der Diabetologe die Versorgung aus einer Hand. Patienten mit Diabetes müssen nicht länger von einem Facharzt zum nächsten überwiesen werden und dabei Wartezeiten in Kauf nehmen, Doppeluntersuchungen über sich ergehen lassen und sich selbst um Anschlusstermine kümmern.

Stattdessen erwarten den Patienten 16 Ärzte aus acht Fachgruppen unter einem Dach. Bei Bedarf erhält der Patient aufeinander abgestimmte Termine an einem Vormittag, auch bei Ernährungsberatern und Podologen.

Damit erfüllt das medicum nach Riedls Auffassung die Forderungen vieler Gesundheitspolitiker und die Wünsche der Patienten. Bei der Berechnung des Honorars aber erfährt das medicum nicht, dass es die Versorgung verbessert - es wird laut Riedl sogar benachteiligt.

Als der Gründer kurz nach der Eröffnung des medicum von einer "ökonomischen Herausforderung" sprach, hatte er diese Gemengelage noch nicht einkalkuliert. Die Gründung hat er bis heute nicht bereut, unisono mit seinen kaufmännischen Leiter Torsten Schudde sagt er aber: "Es muss sich schleunigst etwas ändern."

Denn seit der Gründung hat es eine ganze Reihe von Regelungen gegeben, die die Versorgung für den niedergelassenen Arzt als Betreiber zunehmend unwirtschaftlicher erscheinen lassen. Zunächst wurde im vierten Quartal 2008 der Punktwert in Hamburg von 4,2 Cent auf 3,5 Cent reduziert. Das medicum war davon stark betroffen, weil es kaum Patienten über das Budget hinaus zu abgestaffelten Werten behandelte.

Von den zur Verfügung gestellten Fallwertzuschlägen konnte das medicum nur 20 Prozent abrechnen, weil 70 Prozent der Patienten über Zuweisungen ins Haus kommen. Nach erneuter Umstellung der Vergütungsregelung - vom Arztfall zum Behandlungsfall - wurde das Regelleistungsvolumen (RLV) deutlich reduziert. Diese Reduzierung konnte auch durch die Zuschlagsregelung für unterschiedliche Fachrichtungen nicht annähernd ausgeglichen werden.

Zur Verdeutlichung: Im ersten Quartal 2011 hatten 11.116 Patienten Kontakte zu einem oder mehreren Behandlern - ohne Mehrfachbesuche. Für das RLV relevant und damit abrechenbar sind aber nur 7035 Patienten. Ergebnis dieser Änderungen: Im Vergleich zu 2008 liegt das zur Verfügung stehende Budget heute um 25 Prozent niedriger.

Ökonom Schudde spricht von einer "wirtschaftlich kritischen Situation" für das medicum, wenn sich die honorarpolitischen Rahmenbedingungen für das MVZ nicht ändern. Gemeinsam mit Riedl arbeitet er daran, das medicum trotz der schwierigen Bedingungen in ruhiges Fahrwasser zu bringen.

Dazu beitragen könnten Sonderverträge, wie sie das medicum etwa mit der HUK Coburg für spezielle Präventionsleistungen abgeschlossen hat. Mit anderen Versicherungen und Krankenkassen werden Gespräche geführt.

"Wir versuchen, aus der pauschalen, für unser Konzept nicht passenden Vergütung herauszukommen", sagt Riedl. Auf der betriebswirtschaftlichen Seite wird nach Möglichkeiten zur Kostensenkung gesucht. Die Schulungen werden künftig auf einer Etage zusammengefasst, die klinischen Bereiche ebenfalls. So kann das Personal - immerhin 58 Angestellte - noch effektiver eingesetzt werden.

Das medicum ist für Diabetiker in Hamburg nach Riedls Angaben längst versorgungsrelevant. Von den rund 180.000 Diabetikern in der Hansestadt werden rund 5000 im medicum versorgt. Die Nachfrage ist hoch, Schudde sieht noch großes Potenzial. "Wir hätten längst stärker expandiert, wenn die Honorierung dies erlaubt hätte", sagt der kaufmännische Leiter.

Neben der bislang einzigen Außenstelle im Hamburger Stadtteil Farmsen hält er drei weitere in der Hansestadt für möglich. Auch die Nachfrage der Ärzte nach einer Tätigkeit im Themen-MVZ ist hoch. 60 Prozent der angestellten Ärzte sind Frauen, die die flexible Arbeitszeitgestaltung nutzen.

Mit dem zum Teil schlechten Image, das MVZ bei niedergelassen Ärzten haben, hat das medicum schon längst nicht mehr zu kämpfen. "Die Kollegen differenzieren. Man hat verstanden, dass wir kein Feind der Arztpraxen sind", sagt Riedl. Nun hofft er, dass auch die Honorarpolitik das Konzept belohnt.

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