Homburger Uniklinik

Missbrauch-Skandal zieht Kreise

An der Homburger Uniklinik könnten weit mehr Kinder missbraucht worden sein als bisher bekannt. Das Klinikum hat Konsequenzen gezogen. Die könnten auch den Chef der Kinderpsychiatrie treffen.

Andreas KindelVon Andreas Kindel Veröffentlicht:
Das Gebäude der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Universitätsklinikum Homburg.

Das Gebäude der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Universitätsklinikum Homburg.

© BeckerBredel

SAARBRÜCKEN. Der Missbrauch-Skandal an der Homburger Uniklinik ist möglicherweise größer als bisher angenommen. Wie die Uniklinik jetzt mitteilte, haben sich nach Bekanntwerden des Skandals Ende Juni bereits 58 Personen und Familien gemeldet.

Ein Klinik-Sprecher sagte der „Ärzte Zeitung“, in 44 Fällen seien Gespräche geführt oder vereinbart worden. Dabei gehe es primär um Einsichten in die Akten, die auf Wunsch von Ärzten erläutert werden.

Unklar ist aber weiter, wie viele Missbrauchsfälle es an der Uniklinik des Saarlandes tatsächlich gegeben hat. Ursprünglich war von 34 Fällen die Rede gewesen, in denen die Staatsanwaltschaft in der Vergangenheit ermittelt hatte.

Diese Ermittlungen waren nach dem Tod des verdächtigten Assistenzarztes 2016 eingestellt worden. Der Mediziner soll von 2010 bis 2014 in der „Ausscheidungsambulanz“ des Krankenhauses zahlreiche medizinisch unnötige Untersuchungen des Genital- und Analbereichs bei Kindern vorgenommen haben.

Neues Kinderschutzkonzept

Inzwischen hat die Uniklinik ein neues Kinderschutzkonzept vorgestellt. Ein Punkt darin: ein „Prüfschema“ für besonders sensible Arbeitsplätze. So soll das Mehr-Augen-Prinzip bei der Behandlung von Kindern künftig zur Pflicht werden – dass also immer Eltern oder Kollegen dabei anwesend sein müssen.

Dem beschuldigten Assistenzarzt soll es immer wieder gelungen sein, trotz anderer Anweisung seines Chefs Kinder auch allein zu behandeln.

Auch bei der Personalauswahl hat die Klinik Änderungen angekündigt. Neben dem erweiterten polizeilichen Führungszeugnis werde von neuen Mitarbeitern künftig eine „freiwillige Selbstauskunft“ erwartet. Darüber hinaus habe man einen „Verhaltenskodex“ entwickelt. Die Erwartung der Klinik-Verantwortlichen: „Neben dem Filtermechanismus wirkt diese Vorgehensweise zudem abschreckend auf potenzielle Täter“.

Für die Beschäftigten der Uniklinik soll es außerdem regelmäßige Schulungen geben. „Die Beschäftigten sollen lernen, wie sie bei Verdachtsfällen bestmöglich reagieren“, erklärte die Uniklinik.

Dazu habe man einen „Stufeninterventionsplan“ entwickelt. Dieser Plan zeige genau, zu welchem Zeitpunkt wie vorgegangen werde müsse – vom ersten Hinweis bis zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen.

Externer Gutachterin beauftragt

Die Uniklinik hat darüber hinaus eine externe Gutachterin beauftragt, die unter anderem die Akten der bisherigen Verdachtsfälle noch einmal sichten soll. Zuvor hatte bereits die Saarbrücker Staatskanzlei angekündigt, einen Sonderermittler einzusetzen, um den Skandal aufzuklären.

Von dem Ermittler werden auch Antworten auf die Frage erwartet, wie es gelingen konnte, den Skandal so lange unter dem Teppich zu halten. Auch die Eltern der betroffenen Kinder waren jahrelang nicht informiert worden. Der Staatssekretär im saarländischen Gesundheitsministerium, Stephan Kolling (CDU), kündigte im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ eine Gesetzesverschärfung an.

Schon jetzt müssten Kliniken nach dem saarländischen Krankenhausgesetz (SKHG) solche Verdachtsfälle eigentlich der Aufsichtsbehörde melden. Passiert dies nicht – wie im Fall Homburg – drohten aber bislang keine Strafen. Der Staatssekretär will für solche Fälle nun Geldbußen in fünfstelliger Höhe und Strafverfahren durchsetzen.

Das Gesundheitsministerium hat jetzt auch schärfere Töne gegen den beurlaubten Chef der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Homburg angestimmt. Von dem Mediziner fehle noch immer eine ausführliche Stellungnahme zu dem Skandal, so Kolling. Falls er die bis Ende Juli nicht nachreiche, werde man das sofortige Ruhen seiner Approbation anordnen.

Linke: „Aktionismus“

Die oppositionellen Linken halten diese Maßnahmen für „Aktionismus“. „All das kann nicht vom völligen Versagen der für die Aufsicht über das landeseigene Uniklinikum verantwortlichen Landesregierung hinwegtäuschen“, erklärte der rechtspolitische Sprecher der Linken im Saar-Landtag, Dennis Lander.

Denn Mitglied im Aufsichtsrat der Uniklinik sind gleich mehrere Regierungsvertreter – unter anderem Gesundheits-Staatssekretär Kolling. Und Vorsitzender des Aufsichtsrats ist der Chef der Saarbrücker Staatskanzlei, Jürgen Lennartz.

„Ein Aufsichtsrat, der von der Beschlagnahmung von Krankenakten, Missbrauch-Ermittlungen und einer fristlosen Kündigung eines Arztes wegen Kindesmissbrauch nichts mitbekommen haben will“, schimpfte Lander, „hat den Namen nicht verdient und muss sich fragen lassen, was er überhaupt so treibt“.

Lesen Sie dazu auch: Kommentar: Mehr Courage gefordert

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