Editorial zur Danke-Aktion

Mit Zuversicht der Krise trotzen

Nicht nur das Corona-Virus versetzt uns täglich in Alarmstimmung. Endzeitstimmung greift an vielen Stellen um sich. Dabei gibt es viele Gründe für Zuversicht – und noch mehr für Dankbarkeit.

Von Wolfgang van den Bergh Veröffentlicht:

Liebe Leserin, lieber Leser!

Wie wäre es einmal mit einem „Big Thank you Day“? Ein Tag, an dem wir uns gegenseitig dafür danken, dass wir uns in diesen schwierigen Zeiten gemeinsam aufeinander verlassen können?

Bei uns im Verlag hat der Vorstand gleich zweimal einen solchen „Big Thank you Day“ ausgerufen. Zwei zusätzliche freie Tage für jede und jeden – ein großes Dankeschön an alle über 10.000 Springer-Nature-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, dass sie trotz der Widrigkeiten der Pandemie hochprofessionellen Wissenschaftsjournalismus gewährleisten – vom Fachjournal „Nature“ bis zur „Ärzte Zeitung“.

Heute sagen wir zusammen mit Ihnen Ihren Praxisteams danke, pars pro toto für alle Praxisteams in der Republik. Danke, dass Sie uns durch die Pandemie bringen. Danke, dass sie die meisten COVID-Patienten ambulant versorgen und somit die Krankenhäuser vor noch größerer Belastung bewahren. Danke, dass Sie zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen in den Impfzentren, in den Betrieben und in den Kliniken fast 140 Millionen Corona-Impfdosen verimpft haben!

Das Virus hat auch uns verändert

Wie aber passt diese Dankbarkeit zur allgemeinen Stimmungslage, die, medial jedenfalls, immer noch geprägt ist von wirren Verschwörungstheoretikern, Virus-Leugnern und Fackelträgern, die selbst vor Morddrohungen nicht zurückschrecken? Das Virus hat sich verändert und offenbar auch uns. Selbst wenn wir geboostert und negativ getestet sind: Es grassiert ein anderes Virus, das uns täglich in den vermeintlichen Abgrund blicken lässt, in Alarmstimmung versetzt. Es ist die Macht der Zahlen und der bedrohlichen Überschriften, der Kurznachrichtendienste, die unsere Wahrnehmung auf die Realität verkürzen.

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Rückblende: Schon vor einem Jahr war die Diskussion aufgeladen, weil Lockdown und Kontaktbeschränkungen die Feiertage ruhiger werden ließen, Besuche der Liebsten oft nicht möglich waren. In Israel wurde Mitte Dezember geimpft, in Deutschland musste man sich noch ein paar Tage gedulden. Die Hoffnung war groß, dass sich im neuen Jahr alles zum Besseren wendet. Sie erinnern sich.

Diese Zuversicht aber scheint gewichen. Warum eigentlich? Wir wissen so viel mehr über das Coronavirus, seine Variabilität, über erfolgreiches Impfen und erste hoffnungsvolle Therapieansätze. Selbst auf neue Varianten wie jetzt Omikron kennen wir mögliche Antworten. Eigentlich ein Grund zu feiern. Manchen geht selbst der momentane Erkenntnisgewinn nicht schnell genug. Doch Forschung braucht Zeit, eine Gewissheit. Wissenschaft muss die Chance haben, die Dinge besser verstehen zu lernen, auch Virusvarianten. Bereits im März 2022 soll eine auf Omikron angepasste Vakzine zur Zulassung eingereicht werden. Und wer weiß, vielleicht bekommen wir die Corona-Impfung ab dem Herbst 2022 künftig jährlich als Kombination mit der Grippeimpfung.

Eigentlich gab’s im Jahr 2021 auch viele hoffnungsvolle Nachrichten. Und dennoch beschwören manche den Weltuntergang. Wer sind die Treiber? Sicherlich nicht die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Auch nicht die Ärzte und Gesundheitsberufe, die rund um die Uhr impfen, Patienten versorgen. Dennoch hat deren mediale Verunglimpfung in diesen Wochen einen traurigen Höhepunkt erreicht. Eine scharfe Verurteilung dieser Attacken durch Politiker wäre früher nötig gewesen. Besonders perfide sind dabei die selbst ernannten Streiter für Freiheit und Demokratie, die medial erst kräftig zündeln, um dann die scheinheilige Frage nach dem „Risiko des Fackel-Mobs“ zu stellen, wie dies in einer großen Boulevard-Zeitung nachzulesen ist.

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Die Grenzen der Auseinandersetzung werden Tag für Tag überschritten, auch in den Arztpraxen, in denen sich nicht nur Sie, sondern ebenso Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder Übergriffen erwehren müssen.

Diskussion über Schuld ist zynisch

Die Suche nach Schuldigen scheint dabei oft wichtiger zu sein, als die nach klugen Ideen. Angesichts von über 100 Patientinnen und Patienten, die zuletzt intensivmedizinisch von einem Bundesland ins andere verlegt werden mussten, ist eine Diskussion über Schuld und Schuldige zum jetzigen Zeitpunkt eher zynisch. Zudem ist sie ein Schlag ins Gesicht aller, die in Pandemie-Zeiten einen unverzichtbaren Job machen – nicht nur auf den COVID-19-Stationen in Kliniken und in den vielen Praxen, die ihre Räume auch an Wochenenden zu kleinen Impfzentren umfunktionieren.

Von den ersten Wochen im neuen Jahr wird entscheidend abhängen, ob wir noch in der Lage sind, eine sachliche Diskussion über das Für und Wider einer allgemeinen Impfpflicht zu führen. Sie kann das Land spalten, aber auch eine Gesellschaft einen. Eine offene und erklärende Kommunikation kann helfen, Fehler der Vergangenheit zu verzeihen. Auch die Medien müssen dieser Verantwortung gerecht werden.

Das Team der „Ärzte Zeitung“ und von Springer Medizin bedankt sich bei Ihnen für Ihre Treue – und Ihren Einsatz. Wir wünschen Ihnen ein geruhsames Weihnachtsfest, ein gesundes neues Jahr. Gönnen Sie sich und Ihrem Team einen „Big Thank you Day“, an dem Sie sich und Ihre Lieben mit einem freien Tag beschenken. Sie haben es verdient!

Herzlichst

Ihr Wolfgang van den Bergh

Herausgeber

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