Selbstherrliche Arroganz oder Menschenliebe?

MANNHEIM (uw). Weil er die Behandlung einer 82-Jährigen eingestellt und hinterher die Patientenverfügung gefälscht hat, drohen einem Arzt nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft vier Jahre Haft.

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Als Hausarzt wollte er angeblich seiner schwer kranken Patientin einen "gnädigen Tod" ermöglichen. Gestern forderte Oberstaatsanwalt Hanns Larcher vor dem Mannheimer Landgericht vier Jahre Haft für den Angeklagten. "In selbstherrlicher Arroganz" habe der Mediziner bestimmt: "Die Frau hat zu sterben." Der 64-Jährige habe sich deshalb des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht (wir berichteten kurz).

Der Arzt habe seiner zuckerkranken Patientin die "therapeutisch gebotene Behandlung" mit Insulin eingestellt, ohne die Betreuerin zu informieren. Zudem habe er die künstliche Nahrungszufuhr der zumeist bewusstlosen Heimbewohnerin "erheblich reduziert". Nach einem Schlaganfall war die alte Dame über eine Magensonde ernährt worden. Die stark abgemagerte Seniorin verschied im Juli 2004 kurz nach ihrer Einweisung in eine Klinik. Sie starb an einer Magenblutung, wofür der Arzt nicht verantwortlich sei. Daher lautet die Anklage auf versuchten und nicht auf vollendeten Mord.

Nach ihrem Tod fälschte der Arzt eine Patientenverfügung. Wegen Urkundenfälschung beantragte der Oberstaatsanwalt deshalb zudem eine Geldstrafe von 6000 Euro.

Er habe den "grauenvollen Zustand" der dementen Seniorin beenden wollen, so der Arzt. Es habe keine Aussicht auf eine Gesundung bestanden. Er sei davon ausgegangen, den "mutmaßlichen Willen" der Rentnerin nach einem "menschenwürdigen Sterben" umzusetzen.

Die Frau habe "nicht ansatzweise" eine entsprechende Willenserklärung abgegeben, entgegnete der Oberstaatsanwalt. Dazu war sie auch geistig nicht mehr in der Lage. Zudem war die Heimbewohnerin "zu keinem Zeitpunkt als Sterbende anzusehen", so Larcher. Am Freitag soll die Verteidigung plädieren. Das Urteil wird nächste Woche verkündet.

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