Notfallversorgung

Ärztetag stützt Idee eines Runden Tischs

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Dafür oder dagegen? Ärztetagsdelegierte bei der Abstimmung von Anträgen zur Gesundheitspolitik.

Dafür oder dagegen? Ärztetagsdelegierte bei der Abstimmung von Anträgen zur Gesundheitspolitik.

© Köppe

Wie umgehen mit Patienten, die mit Lappalien in die Notaufnahme kommen? Der Ärztetag spricht sich gegen finanzielle Hürden aus. Bei der Diskussion der Bürgerversicherung überwiegt deutlich die Skepsis.

Von Florian Staeck

FREIBURG. Der Streit um die Notfallversorgung und die Bewertung der Bürgerversicherung hat den ersten Tag der Plenumsberatungen beim Deutschen Ärztetag geprägt.

Uneins waren die 250 Delegierten, wie auf die ständig wachsende Zahl von Patienten reagiert werden soll, die die Notaufnahmen der Krankenhäuser aufsuchen. "Wir sollten Patienten nicht erziehen, aber wir müssen uns als Ärztetag zur völlig ungeregelten Inanspruchnahme der Notfallversorgung äußern", forderte BÄK-Vorstandsmitglied Dr. Klaus Reinhardt.

"Eintrittsgebühr" als Lösung?

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Ursache für den Ansturm auf die Notfallambulanzen sei die fehlende Patientensteuerung, konstatierte Baden-Württemberg KV-Chef Dr. Norbert Metke. Es gebe 120 Notfallpraxen im Südwesten, trotzdem suchten dort 600.000 Patienten pro Jahr Kliniken auf, deren Gesundheitsprobleme auch ambulant gelöst werden könnten. Die Kassen sollten für den finanziellen Mehrbedarf aufkommen, nicht aber die budgetierte Gesamtvergütung der Vertragsärzte, forderte Metke.

Die Delegierte Dr. Anne Gräfin Vitzthum von Eckstädt hat dafür eine Lösung: 50 Euro "Eintrittsgebühr" für Notfallambulanzen. "Dann sortiert sich das Problem von alleine." Nicht alle stimmten ihr zu. BÄK-Vorstandsmitglied und CDU-Bundestagsabgeordneter Rudolf Henke mahnte eine gemeinsame Lösung der Ärzteschaft an, denn durch die nötige Triage fehle das Personal in Kliniken bei der Behandlung Schwerkranker. "Für müssen unsere Kräfte bündeln!", forderte er und gab den Tenor der BÄK vor.

Der Ärztepräsident hatte bei der Eröffnung angeboten, einen Runden Tisch zur Notfallversorgung einzurichten. In diesem Format sollten dann Ärzte aus Klinik und Praxis, Krankenhausgesellschaft und Kassen einen gemeinsamen Lösungsvorschlag erarbeiten. Sinnvoll sei es, sektorenübergreifende Versorgungsstrukturen zu stärken.

Ausführlich stritten sich die Delegierten über die Notwendigkeit einer Abklärungspauschale für Notfallpatienten, die tatsächlich keiner Ad hoc-Behandlung bedürfen. Es sei nicht sinnvoll, einzelne Leistungen zu bevorzugen, hieß es. "Wir müssen andere Steuerungsinstrumente finden", forderte Kammer-Chef Dr. Theodor Windhorst. Die auf zwei Minuten Behandlungszeit berechnete Gebühr sende ein falsches Signal, sagte Rudolf Henke – so, als müssten Ärzte in zwei Minuten mit der Abklärung fertig sein. "Lieber ein Schaden in der Bilanz des Krankenhauses, als ein Schaden beim Patienten", gab Henke als Maxime aus. Der Antrag wurde an den Vorstand überwiesen.

Kontrovers setzte sich der Ärztetag mit dem Konzept der Bürgerversicherung auseinander. "Etwas weniger Dogmatik täte gut", sagte Dr. Ellis Huber und plädierte für eine Neustrukturierung der Krankenversicherung. Dann könnten Ärzte auch besser bezahlt werden. Der Allgemeinarzt Jens Wagenknecht (Niedersachsen) stimmte zu. Er erlebe PKV-Patienten vor allem als "Opfer von Übertherapie". "Choosing wisely" finde bei dieser Patientengruppe nicht statt.

"Flatrate-Honorar der GKV"

Die Kritik an der PKV blieb nicht unwidersprochen. In der Privatassekuranz würden Risiken genau bepreist, nicht so in der GKV, erinnerte BÄK-Vorstand Reinhardt. Die GKV gewähre den Patienten ein "unbegrenztes Leistungsversprechen bei gleichzeitigem Flatrate-Honorar", kritisierte er. Das entsprach dem Tenor des mit breiter Mehrheit angenommenen Leitantrags. Darin heißt es, die Ärzteschaft sehe mit "großer Sorge, dass Teile der Politik die bewährten Strukturen (...) ohne Not zerschlagen und durch eine Einheitsversicherung ersetzen wollen".

Einstimmig zeigte sich der Ärztetag bei der Kritik am "finanzorientierten Wettbewerb" im Gesundheitswesen. Unter diesem Druck kämen "Humanität und Qualität der Patientenversorgung (...) unter die Räder". Nötig sei daher ein Strategiewechsel. Der Treiber des Gesundheitswesens müsse das Patientenwohl sein, heißt es.

Der Deutsche Ärztetag unterstützte mit Mehrheit zudem folgende Beschlüsse:

» Personaluntergrenzen: Ausdrücklich wird begrüßt, dass die Bundesregierung in der pflegerischen Versorgung im Krankenhaus Personaluntergrenzen gesetzlich definieren will. Doch auch in der ärztlichen Versorgung sei eine adäquate Personalausstattung qualitätsrelevant. Vorgeschlagen wird daher eine automatische Anpassung des Stellenkontingents. Fallen im Zeitraum eines halben Jahres mehr ärztliche Überstunden an, als der tariflichen Regelarbeitszeit einer ärztlichen Vollzeitkraft entspricht, müsse der Stellenschlüssel angepasst werden.

» Behandlungsqualität transparent machen: Alle in den Krankenhausplänen geführten Akutkliniken sollten verpflichtet werden, die Zahl der am Patientenbett eingesetzten Pflegekräfte, deren Qualifikation und die Relation zum errechneten Bedarf zu dokumentieren und in Qualitätsberichten zu veröffentlichen.

» BKA-Gesetz: Die Ende April vom Bundestag verabschiedete Novelle des Bundeskriminalamtsgesetzes soll in der kommenden Legislatur überarbeitet werden. Die Wahrung der Schweigepflicht sei unabdingbar und könne nicht Gegenstand einer Abwägung sein. Im BKA-Gesetz sind Arztpraxen anders Strafverteidiger, Geistliche oder Abgeordnete nicht vollständig von einem Abhörverbot ausgenommen.

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