Erreger von STD kommen häufig im Kombi-Pack vor

Patienten, die schon eine sexuell übertragbare Erkrankung (STD) haben, sind besonders anfällig auch für andere STD-Erreger: Eine bestehende Syphilis begünstigt zum Beispiel durch Schleimhautdefekte im Genitalbereich die Übertragung von HI-Viren. Auch die Schutzfunktion der Haut ist bei Syphilis-Infizierten stark beeinträchtigt. Koinfektionen mehrerer STD-Erreger können diese zudem aggressiver machen.

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Seit kurzem nimmt die Zahl der Syphilis-Erkrankten wieder zu: Im Jahr 2004 registrierte das Robert-Koch-Institut 3345 neue Fälle - 14 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Aber nicht nur die Syphilis-Zahlen steigen, sondern es infizieren sich inzwischen auch wieder mehr Menschen mit anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD) wie HIV und Chlamydien.

Privatdozent Dr. René Gottschalk, Leiter der Abteilung Infektiologie am Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main, erklärt dies "mit der Müdigkeit der sexuell aktiven Altersgruppe, sich mit Kondomen auszustatten". Vor allem in deutschen Großstädten sei das Bewußtsein, daß man sich vor Infektionskrankheiten schützen sollte, nicht sonderlich ausgeprägt, sagte er im Gespräch mit "Forschung und Praxis".

Maßnahmen, die das ändern sollen, sind zum Beispiel das AIDS- und Hepatitis-Mobil des Stadtgesundheitsamtes, mit dem speziell Jugendliche an Schulen aufgeklärt und auf die Gefahr aufmerksam gemacht werden. Dies sei allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein, so der Infektiologe.

Konkurrenz von zwei Erregern führt zu Selektionsdruck

Ist man erst einmal mit einem STD-Erreger infiziert, ist auch die Anfälligkeit für weitere Erkrankungen größer: Eine bestehende Syphilis begünstigt - wie auch andere STDs - durch Schleimhautdefekte im Genitalbereich die Übertragung von HI-Viren. Auch die Schutzfunktion der Haut sei bei Syphilis-Infizierten stark beeinträchtigt, so Gottschalk.

Koinfektionen mit mehreren STD-Erregern wie HIV und Treponema pallidum sind gefährlich, denn dadurch können diese aggressiver werden. Offenbar löst die Konkurrenz beider Erreger im selben Organismus einen Selektionsdruck hin zu Viren aus, die leichter Wirtszellen kapern.

Auch HIV-Infizierte seien anfälliger für Koinfektionen, da sie sich aufgrund einer geschwächten Immunabwehr deutlich schlechter gegen Bakterien zur Wehr setzen können, gibt Gottschalk zu bedenken. Zudem verlaufen die Erkrankungen bei Koinfizierten teilweise deutlich schwerer.

Diagnostizieren lasse sich eine Syphilis relativ gut über eine Serumprobe - immer vorausgesetzt, der Arzt denke an die Möglichkeit dieser Erkrankung, so Gottschalk. Im klassischen Fall, bei einem Primär-Geschwür, das sich am Ort des Eintritts bilde, also zum Beispiel an der Scheide, am Penis oder am Mund, sei die Diagnose relativ einfach zu stellen.

Das Problem seien Patienten mit unklaren Symptomen, zum Beispiel HIV-Erkrankte. Syphilis gelte als Chamäleon unter den Infektionserkrankungen, weil sie verschiedenste Ausprägungen annehmen könne.

Lange Zeit gab es für Syphilis-Erkrankte keine wirksame Behandlung - erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand das arsenhaltige Medikament Salvarsan zur Verfügung. Mit Einführung von Penicillin 1944 ist die Therapie optimiert worden. Penicillin funktioniere bei Syphilis wunderbar, so Gottschalk.

Es könne in den ersten drei Stadien der Erkrankung gegeben werden, im vierten, neurologischen Stadium sei es nicht empfehlenswert, weil es nur schwach liquorgängig ist. Habe der Patient eine Penicillin-Allergie, könne zum Beispiel auf Tetrazykline gewechselt werden.

Bei der Therapie zu beachten sei die Jarisch-Herxheimer-Reaktion mit Fieber, Schüttelfrost und vermehrten syphilitischen Läsionen. Diese Bakteriolyse-Reaktion führt zu einem heftigen Zellzerfall mit Freisetzung von Endotoxinen. Gegenmaßnahmen sind Bettruhe, Applikation eines Antipyretikums und bei schweren Verläufen Prednison.

Bei Koinfizierten ist die Therapie schwieriger: Leide der Patient sowohl an HIV als auch an Syphilis, müsse man dafür sorgen, daß er durch eine adäquate antivirale Therapie genügend CD4-Zellen habe, sagte Gottschalk. Bei Patienten mit weniger als 150 CD4-Zellen pro µl Blut sei die Therapie mit den gängigen Antibiotika extrem schwierig, weil ohne zelleigene Immunabwehr des Patienten keine vernünftige antibiotische Therapie möglich sei.

Chlamydien-Infektion wird oft übersehen

Eine weitere STD, die auch bei HIV-Patienten immer öfter zu beobachten ist, ist die Chlamydien-Infektion. Hier sei die Diagnose nicht einfach, erinnerte Gottschalk. Da die Erkrankung bland verlaufen könne, werde sie auch gerne übersehen. Man könne aber durch einen Antikörper-Nachweis gegen Bakterien im Blutserum zum Ziel kommen. Der Nachweis sei allerdings aufwendiger als zum Beispiel bei Syphilis-Erregern.

Normalerweise erfolgt eine Therapie mit Tetrazyklinen (Doxycyclin). Die übliche Dosis beträgt zweimal 100 mg / Tag für 10 bis 14 Tage. Wird Doxycyclin nicht vertragen oder wirkt es nicht ausreichend, wird mit Gyrase-Hemmern behandelt. Wichtig ist die gleichzeitige Mitbehandlung des Sexualpartners, um ständige gegenseitige Ansteckungen - also Ping-Pong-Effekte - zu vermeiden. (otc)

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