Angst vor Sucht nach ADHS-Therapie unbegründet?

BERLIN (gvg). Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) entwickeln seltener eine Nikotin-, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, wenn sie wegen der Erkrankung medikamentös behandelt werden. Die häufig geäußerten Befürchtungen vor einer Suchtentwicklung sind damit wahrscheinlich unbegründet.

Veröffentlicht:

Vier von fünf Kindern, die wegen eines ADHS medikamentös behandelt werden, erhalten in Deutschland Methylphenidat-haltige Präparate. "Die Zahl der verordneten Tagesdosen von Methylphenidat hat sich zwischen 1992 und 2002 vervierundzwanzigfacht", sagte Dr. Michael Huss auf einer Veranstaltung auf dem Weltkongreß für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Berlin. Weil die Substanz chemisch dem Kokain ähnelt, könne er gut verstehen, daß Eltern sich Sorgen über das Suchtpotential machten, so der Kinder- und Jugendpsychiater von der Charité Berlin.

Die meisten Studien mit Methylphenidat-Präparaten hätten allerdings das genaue Gegenteil ergeben, wie Huss auf der von der Firma Janssen-Cilag ausgerichteten Veranstaltung sagte. Das Unternehmen vertreibt das langwirksame Methyl-phenidat-Präparat Concerta®.

"In einer eigenen Studie, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte finanziert wurde, hatte eine Methylphenidat-Behandlung bei Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren einen geradezu dramatisch positiven Effekt auf das Suchtverhalten im Erwachsenenalter", so Huss. Die behandelten Kinder seien als Erwachsene besser in der Lage gewesen, verantwortlich mit Zigaretten, Alkohol und Marihuana umzugehen als nichtbehandelte Kinder mit ADHS.

Professor Michael Schlander von der Hochschule für Wirtschaft in Ludwigshafen betonte den großen soziökonomischen Nutzen einer erfolgreichen ADHS-Behandlung. Unbehandelte Kinder hätten um die Hälfte mehr Verkehrsunfälle als ihre nicht betroffenen Altersgenossen. Daten aus den USA zufolge brechen zudem zwei von fünf Kinder mit nicht kontrolliertem ADHS die Schulausbildung vorzeitig ab. Die Anfälligkeit für Kriminalität sei stark erhöht, genauso wie die Wahrscheinlichkeit, eine Suchterkrankung zu entwickeln.

"Wenn wir angesichts dieser Fakten sehen, daß nur etwa ein Viertel der betroffenen Kinder medikamentös behandelt wird, können wir jedenfalls nicht von einer Überversorgung sprechen", so der Mediziner und Ökonom in Berlin.

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Weltmalaria-Tag

Invasive Malariamücke bedroht afrikanische Städte

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen