Nachgefragt
Wie haben Ihre Patienten reagiert?
Dr. Eva-Maria Fach, Diabetologin in Rosenheim
Dr. Eva-Maria Fach
Antwort: Etliche Patienten haben nach den Nachrichten und Presseberichten zu Lantus® viele Fragen gestellt: telefonisch, an der Anmeldung, den Diabetesberaterinnen und uns ärztlichen Kollegen. Solche Meldungen Freitagabend in die Publikumsmedien zu bringen, wie geschehen, ist sehr ungünstig. Die Berichte sind so gemacht gewesen, dass die Patienten Angst bekamen. Einige unserer Patienten mit Insulin glargin haben ihre Therapie sofort abgesetzt. Am Montag sind sie dann in die Praxis gekommen mit Blutzuckerwerten um 400 mg/dl. Das ist natürlich nicht zu akzeptieren. Leider haben auch einige Typ-1-Diabetiker die Nachrichten auf sich bezogen, und Eltern haben sich wegen ihrer Kinder, die mit Lantus® versorgt sind, gesorgt. Anhand der von der Deutschen Diabetes Gesellschaft veröffentlichten Daten und Fakten konnte ich die Patienten größtenteils beruhigen.
Was sagt die onkologische Fachgesellschaft?
Professor Gerhard Ehninger, Vorsitzender der DGHO
Professor Gerhard Ehninger
Antwort: Der Vorsitzende der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e. V., Professor Gerhard Ehninger, hat im Zusammenhang mit Berichten über ein möglicherweise erhöhtes Krebsrisiko durch Lantus® vor Panikmache gewarnt: Patienten, die damit behandelt werden, können sicher sein und sollten dabei bleiben. Der Mitautor der deutschen Studie, Professor Peter Sawicki, Leiter des IQWiG, habe sich, so Ehninger, eines "üblen Taschenspielertricks" bedient, um seine Verteufelung eines Medikamentes zu untermauern. Als Sawicki die Daten beider Patienten-Gruppen (die mit Insulin glargin und die mit anderen Insulinen, die Redaktion) vergleicht, stellt sich heraus, dass die Lantus-Gruppe sogar eine geringere Krebsrate hat. Dann habe er die Daten durch falsch angewendete mathematische Methoden so verändert, dass aus einem verminderten ein erhöhtes Krebsrisiko wird.
War die Publikation gerechtfertigt?
Prof. Andreas F. H. Pfeiffer, Charité, Berlin
Professor Andreas F. H. Pfeiffer
Antwort: Dass in "Diabetologia" zehn Seiten Editorial zu den neuen Studien, darunter die vom IQWiG, erschienen, zeigt, dass die Zeitschrift hin und her gerissen war, sie überhaupt zu publizieren. War die Publikation gerechtfertigt, nötig und sinnvoll? Gerechtfertigt in dem Sinne, dass man Patienten vor einem Risiko warnen musste, oder waren die Kosten nicht höher, dass man viele Menschen verunsichert mit Befunden, die nichts wert sind? Stuart J. Pocock und Liam Smeeth aus London haben im "Lancet" die Studie total zerrissen als unzulässige Unteranalyse. Diese Kritik ist eine der wichtigsten, weil sie auf einer rein epidemiologischen Analyse beruht. So dass man sagen muss, die Publikation hätte es nicht geben sollen, weil sie mit unzureichender Evidenz verunsichert. Selbst die Autoren haben die Daten nicht als Anlass einer Meldung an die Arzneimittelbehörden für würdig erachtet.
Warum diese Darstellung in den Medien?
Professor Hellmut Mehnert, München
Professor Hellmut Mehnert
Antwort: Warum wurden die schon länger bekannten IQWiG-Ergebnisse erst kürzlich veröffentlicht? Wenn wirklich ein begründeter Krebsverdacht bestanden hätte, wäre ein solches Vorgehen absolut unethisch. Warum haben sich Publikumsmedien - vor allem die "Tagesthemen" - derartig einseitig und unangemessen sensationell gemäß den Grundsätzen des Presserates geäußert? Dabei hätten sie sogar Professor Peter Sawicki folgen können, der betont hat: "Unsere Auswertung ist zwar kein eindeutiger Beweis, dass Glargin Krebs fördert"! Liegt nicht womöglich ein Interessenkonflikt vor, wenn das IQWiG seine Auswertung mit der AOK vorgenommen hat? Fast eine halbe Million mit Glargin Behandelte in Deutschland sind durch die unglaublich kritiklose und einseitige Darstellung der IQWiG-Daten verunsichert worden. Es ist der Sündenfall des Institutes, dazu leichtfertig Veranlassung gegeben zu haben.
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