Hintergrund

E. coli - nicht nur ein harmloser Schmarotzer

Escherichia coli ist ein Keim mit vielen Facetten: Einerseits ist er ein ubiquitär verbreiteter Bewohner im Kolon von Tier und Mensch. Andererseits kann von ihm eine große Gefahr ausgehen - wenn er in Blut oder Harntrakt gelangt. Zudem gibt es hochgradig pathogene Stämme.

Von Angela Speth Veröffentlicht:
EHEC unter dem Elektronenmikroskop: Die kleinen Stäbchen befallen derzeit etliche Menschen im Land.

EHEC unter dem Elektronenmikroskop: Die kleinen Stäbchen befallen derzeit etliche Menschen im Land.

© Robert Koch-Institut / dpa

Als der österreichische Kinderarzt Dr. Theodor Escherich im Jahre 1885 die gramnegativen Stäbchen entdeckte, bezeichnete er sie als "harmlose Schmarotzer". Tatsächlich ist das nach ihm benannte Escherichia coli ein natürlicher Bewohner des Dickdarms bei Tieren und Menschen.

Aber es hat auch bedrohliche Seiten: Wenn es in andere Teile des Körpers gelangt, kann es großen Schaden anrichten, darunter Harnwegsinfektionen, Pneumonien, Peritonitis und Neugeborenenmeningitis. Und zudem existieren von E. coli auch darmpathogene Varianten, die schwere Magen-Darm-Erkrankungen auslösen.

Gerade das enterohämorrhagische E. coli (EHEC) gilt "als eine der größten mikrobiologischen Herausforderungen an die Lebensmittelindustrie seit dem Botulismus" (Ernährungs Umschau 2010, 7: B25).

Meldepflicht für EHEC-Fälle seit 2001

Diese Gefahr spiegelt sich auch in der Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz wider. Sie liegt in den Komplikationen, die mit einer hohen Letalität einhergehen. Krankheitsbilder sind das hämolytisch-urämische Syndrom, die hämorrhagische Colitis und die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TPP).

Übertragungswege für EHEC-Infektionen

EHEC-Bakterien werden am häufigsten verschleppt über:

  • Infizierte Lebensmittel: rohes oder nicht ausreichend erhitztes Rindfleisch, Rohwurst wie Mettwurst oder Salami, rohe Kuhmilch, Ziegenmilch, Rohmilchkäse sowie Kopfgemüse, das mit Tierkot verunreinigtem Dünger gedüngt wurde
  • Trinkwasser und Baden in infiziertem Oberflächenwasser
  • Infektion durch Menschen, vor allem in Krankenhäusern, Heimen und Kindertagesstätten
  • Direkter Tierkontakt in Landwirtschaft, Schlachthöfen, Streichelzoo und mit Haustieren wie Hunden und Katzen

Seit 1983 werden zunehmend Ausbrüche und sporadische Erkrankungen registriert, erstmals in den USA, wo sich als Ursache ungenügend erhitzte Hamburger einer Fast-Food-Kette herausstellten. In Deutschland wurde EHEC erstmals 1985 nachgewiesen.

Das Robert Koch-Institut RKI hat seit Einführung der Meldepflicht 2001 bundesweit jährlich zwischen 800 und 1200 EHEC-Erkrankungen registriert, die aber oft einen leichteren Verlauf nahmen. Damit gehören EHEC in Deutschland nach Salmonellen und zusammen mit Campylobacter zu den zweithäufigsten bakteriellen Enteritis-Erregern.

Der jetzige Ausbruch ist nach Angaben von RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher besonders groß, ungewöhnlich daran ist zudem einerseits der hohe Anteil von Frauen, andererseits von Erwachsenen. "Klassisch sind Schulkinder auf dem Bauernhof", sagte Glasmacher zur "Ärzte Zeitung".

Hoch pathogene Keime

Noch suchen die Forscher intensiv nach der Infektionsquelle, ein Verdacht für Rohmilch oder -fleisch gebe es aber nicht. Erste Befragungen von Erkrankten hätten das ausgeschlossen, berichtete Glasmacher. Im Blick stünden nun Gemüse, Obst und Salat.

Das Reservoir des Erregers bilden Wiederkäuer, speziell Rinder. Menschen stecken sich durch Kontakt über diese Tiere an, über Lebensmittel oder direkt von Mensch zu Mensch.

Infizierte scheiden die Erreger noch 5 bis 20 Tage aus, manche - auch ohne Symptome - bis zu drei Monaten. Viel braucht es für eine Infektion nicht: Kaum hundert Zellen EHEC genügen, um die Erkrankung auszulösen - weniger als für eine Salmonellen-Infektion erforderlich ist.

Vor allem Kleinkinder sind betroffen

Das liegt auch an der Zähigkeit der Keime: Die Magenpassage überleben sie durch ihre Säure-Unempfindlichkeit unbeschadet. Im Darm heften sie sich an die Epithelzellen und scheiden dort ihr Gift, das Verotoxin, ins Lumen aus. Von da wird es über Blut und Lymphe gestreut, lagert sich an Organe und blockiert die Proteinsynthese, was den Zelltod bedingt.

Die Inkubation dauert ein bis drei Tage, die klinischen Symptome sind uneinheitlich, sie reichen von blande bis stark. Am häufigsten sind starke Bauchschmerzen mit abdominalen Krämpfen, wässrige, später blutige Diarrhö, Fieber, Übelkeit und Erbrechen.

Gewöhnlich erkranken Säuglinge, Kleinkinder, alte und abwehrgeschwächte Menschen besonders schwer. Zu den lebensgefährlichen Komplikationen kommt es bei fünf bis zehn Prozent der Infizierten, sie sind der häufigste Grund für schweres Nierenversagen bei Kindern.

Zum Schutz vor Ansteckung raten Experten, bei der Verarbeitung von Lebensmitteln auf Küchenhygiene zu achten, etwa Brettchen und Messer gründlich zu reinigen. Erhitzen tötet die Bakterien zuverlässig ab, Lagern im Kühlschrank dagegen kann ihnen nichts anhaben, selbst das Gefrierfach stehen sie neun Monate durch.

Lesen Sie dazu auch: Experten ratlos: Immer mehr EHEC-Fälle

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