Drei Stunden kuscheln - Intensivkurs für Streichelbedürftige

NEW YORK (dpa). Reid Mihalko ist Judolehrer, Barmixer, Romantik- Trainer und jetzt auch noch Kuschel-Wächter. Der 36jährige New Yorker richtet Partys aus, bei denen sich Fremde einen Abend lang umarmen, streicheln und gegenseitig massieren. Auch küssen ist erlaubt, allerdings nur nach höflichem Fragen. Sex dagegen bleibt tabu in seinem winzigem Appartement in Manhattan, das derzeit noch als Treffpunkt für Kuschel-freaks dient.

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Mihalko war erst vor einem halben Jahr die Idee gekommen, Leute mit Verlangen nach unverfänglicher Zärtlichkeit zusammen zu bringen. Und New York fing sofort Feuer. "Wo sonst gibt es so viele Singles", stimmt ihm Drehbuchautor John (34) vor seiner ersten "Cuddleparty" zu. Kuschel-Papst Reid und seine Partnerin Marcia Baczynski (26) haben ihre Feten inzwischen auch in Kalifornien und Hawaii eingeführt. Kanada erwärmt sich ebenfalls für das Knuddeln gegen Entgelt.

Ein Mann aus Berlin wollte das Konzept in Deutschland verbreiten, wurde aber vorerst abschlägig beschieden. "Wir sind noch nicht so weit", sagt Mihalko, der das Rezept für seine Kuschelfeten derzeit in einem Buch beschreibt. Danach will er Wochenendseminare für Leute mit Interesse und dem Zeug zum "Cuddle Lifeguard" anbieten und erfolgreiche Absolventen mit einem Zertifikat auszeichnen.

"Die Nachfrage ist da", glaubt Reid und erzählt vom Anruf eines US-Soldaten aus dem Irak, der sich schon Monate im voraus einen Platz für seinen nächsten Heimaturlaub reservieren will. Ebenso sehnten sich viele Ältere und Behinderte nach Zärtlichkeit: "Man wächst nie über Umarmungen hinaus", bekräftigt Mihalko. Von Babys sei bekannt, daß sie Körperkontakt zur optimalen Entwicklung brauchen. Welchen psychologischen und physiologischen Effekt das Kuscheln auf Erwachsene habe, wisse aber niemand so genau.

Für Singles wie Brigitte Philippides (36), die sich kaum eine der Knuddelfeten entgehen läßt, hat das Schmusen mit Fremden die Welt verändert: "Ich bin einfach offener geworden und lerne jetzt ständig neue Männer kennen." Ein Pärchen aus der Kleinstadt will im anonymen New York "mal wieder wie in der Studentenzeit mit anderen kuscheln".

Mihalskos Kunst besteht darin, anfängliche Hemmungen überwinden zu helfen. Dazu gehört, daß jeder der bis zu 20 Teilnehmer im Schlafanzug erscheint. (Reid trägt ein Superman-T-Shirt zur orange-farbenen Pyjamahose). Weitere Regeln gibt Marcia im Begrüßungskreis aus. Alle stellen sich vor und drücken wenigstens drei andere Gäste. Dann geht es zum "Aneinander-Schubbeln" auf die Knie - und schwupps liegen alle am Boden - wegen der Enge oft in Löffelchenposition.

Kichern ist erlaubt, und gestöhnt wird auch. Wenn sich die Atmosphäre im Raum zu sehr aufheizt, schlägt einer der beiden Sexwächter Alarm. Die Glocke signalisiert, daß sich alle Paare oder Gruppen von einander lösen und anderen zuwenden müssen. Dafür, daß es artig bleibt, sorgt auch die Kommunikation. Jede Annäherung ist abzusprechen: "Jonathan, darf ich deinen Rücken kraulen?" oder "Kathryn, kannst du mich bitte umarmen?".

Wer sich nicht traut, darf gehen und bekommt den vollen Eintritt von 30 Dollar (etwa 25 Euro) zurück. Oder er wartet bis zum Schluß, wenn alle Kuschelgäste auf Anweisung eine Pyramide bilden und engster Körperkontakt wirklich nicht mehr zu vermeiden ist.

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