Fröhliche Therapie mit Langzeitwirkung

Auf dem Rücken der Pferde den Schmerz vergessen: 17 Kinder konnten sich in diesem Sommer eine Woche auf einem Reiterhof entspannen.

Von Heidi Niemann Veröffentlicht:
Geschmückt mit schwarz-rot-goldenen WM-Fanartikeln zieht die bunte Truppe zu einem Ausritt in den Wald.

Geschmückt mit schwarz-rot-goldenen WM-Fanartikeln zieht die bunte Truppe zu einem Ausritt in den Wald.

© Rink / pid (2)

GROSSALMERODE. Eigentlich haben die Kinder schon alle Pferde für den Ausritt zurechtgemacht - Mähne und Fell gestriegelt, die Hufe ausgekratzt und den Sattel aufgelegt. Doch an diesem Morgen ist Peter Engisch vom Geschäftsbereich Deutschland des Arzneimittelherstellers Grünenthal GmbH in Aachen auf den Reiterhof Hirschberg im nordhessischen Großalmerode gekommen. Der Besucher hat für die Kinder ein großes Paket voll mit WM-Fan-Accessoires mitgebracht, auf das sie sich sofort mit großem Jubel stürzen. Alle malen sich ihre Gesichter schwarz-rot-golden an und dann bekommen auch noch die Pferde schwarz-rot-goldene Kränze um die Ohren gelegt. Nachdem die Kinder mit hoch erhobenen Armen auch noch den "Schüttelhit" zelebriert haben, setzt sich die kunterbunte Truppe in Bewegung und reitet in den Wald.

Die 17 Kinder - neun Jungen und acht Mädchen im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren - sind mit Begeisterung dabei. Eine Woche verbringen sie auf dem Reiterhof, und auf diese Woche haben sie sich schon lange gefreut. Alle haben schwere Zeiten hinter sich, umso mehr genießen sie die unbeschwerten Tage in der Natur. Die Kinder sind Patienten der onkologischen Universitätskliniken in Köln und Bonn. Sie haben dort lange Klinikaufenthalte verbracht. Einige von ihnen waren an Leukämie erkrankt, andere litten an einem Hirntumor.

Seit 1993 finanziert die Firma Grünenthal jeden Sommer eine einwöchige Reiterfreizeit für krebskranke Kinder. Das Projekt startete zunächst mit jungen Patienten der Uniklinik Köln, seit 1995 sind auch Patienten der Bonner Klinik mit dabei. "Seitdem haben wir rund 300 Kindern dieses Erlebnis ermöglichen können", sagt Peter Engisch, der damals das Projekt mit initiiert hat. Er ist immer wieder tief beeindruckt, welche therapeutischen Effekte dieser Urlaub vom Schmerz bei den Kindern auslöst.

Diesmal ist es eine besonders aktive Gruppe. "Die Kinder passen unheimlich gut zusammen, alle spielen sehr harmonisch miteinander", sagt Sozialarbeiter Matthias Vogt. Er ist einer von sechs Betreuern, die sich mit großem Engagement um die Kinder kümmern. Zum Team gehören außer Erziehern und Sozialpädagogen auch Krankenschwestern und -pfleger, so dass auch die medizinische Versorgung sichergestellt ist.

Langweilig wird es den Kindern auf dem in idyllischer Hügellandschaft gelegenen Reiterhof nie. "Die stehen morgens auf und stehen wenig später schon auf dem Fußballplatz", staunt Matthias Vogt. Jeder Tag ist spannend, anregend und abwechslungsreich: Die Kinder spielen nicht nur Fußball, sondern backen auch Stockbrot und treffen sich zum Grillen am Lagerfeuer. "Gesellschaftlicher Höhepunkt" ist der Disco-Abend, zu dem sich vor allem die Mädchen besonders schick machen. All diese Aktivitäten sind indes nur das Beiprogramm. "Das Wichtigste für die Kinder ist Reiten, Reiten, Reiten", sagt Matthias Vogt. Der tägliche Umgang mit den Pferden tut ihnen besonders gut. Auf dem Pferderücken sind sie entspannt und gelöst.

Auch um die vielen anderen Tiere auf dem Hof kümmern sich die Kinder mit großer Begeisterung. Vor allem das Schweinefüttern macht ihnen großen Spaß. "Hinterher müssen alle immer duschen", sagt Erzieherin Andrea Tepe. Andere wetteifern darum, die beiden Ziegen ausführen zu dürfen. Außerdem gibt es neben vielen Fohlen auch ein Kamel und ein Lama zu bestaunen. Eine große Anziehungskraft übt auch der Stall mit den Hamstern und Kaninchen aus. "Da sitzen die Kinder manchmal stundenlang davor", erzählt Andrea Tepe. Die Betreuer sind immer wieder fasziniert, wie stark die Kinder von diesen unbeschwerten Tagen profitieren. "Dieses Draußensein mit den Tieren ist einfach sehr heilsam", meint Matthias Vogt.

Ein Junge ist inzwischen schon eine Art Stammgast. Vor vier Jahren war Jens das erste Mal mit dabei. Das hatte er sich schon zu Beginn seiner Krebstherapie so in den Kopf gesetzt. Damals hatte er mitbekommen, dass Sozialarbeiter Vogt jedes Jahr mit jungen Krebspatienten zu einem Ferienaufenthalt auf einen Reiterhof fährt, und wollte unbedingt auch mit dabei sein. Bei seiner ersten Freizeit saß er noch im Rollstuhl, heute kickt er mit beim Fußballspielen. Und er hat sich wieder etwas vorgenommen: Wenn er die Schule beendet hat, will er auf diesem Reiterhof arbeiten. Sollte das klappen, hätte der therapeutische Urlaub eine ganz besondere Langzeitwirkung gehabt.

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