Der tote Vater als Halbkaräter in der Edelholzschatulle

LINDAU (dpa). Der Vater von Andreas Wampl ist vor etwa sechs Monaten gestorben. Jetzt liegen seine sterblichen Überreste als Trauerdiamant in einer Edelholzschatulle neben dem Erinnerungsfoto. Wampl hat den Halbkaräter aus der Asche seines Vaters formen lassen. Er gehört zu einem Schweizer Unternehmen, das diesen "Service" weltweit anbietet.

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"Für uns ist dies nur eine andere Aufbewahrungsart für die Asche der Verstorbenen", erläutert Wampl das Angebot. Er koordiniert in Lindau die Wünsche von Hinterbliebenen nach Trauerdiamanten aus der Totenasche. So bietet ein Berliner Bestatter über die Schweizer seinen Kunden diesen neuen Trend-Service bereits an.

Die Schweizer Offerte gibt es seit Anfang des Jahres, etwa 50 Angehörige aus Deutschland haben laut Wampl sich bereits Trauerdiamanten anfertigen lassen. Der Trend kommt aus den USA, wo ein Unternehmen in Illinois seit etwa drei Jahren die Trauer-Brillis anbietet.

Die christlichen Kirchen stehen diesem neuen Trend skeptisch bis ablehnend gegenüber. Für den Sprecher der Erzdiözese München und Freising, Winfried Röhmel, ist "die Oma als Diamant" völlig absurd.

Da in Deutschland eine Bestattungspflicht für Urnen besteht, fordert die Firma bei einem Auftrag aus Deutschland die Asche der Verblichenen zur Überführung in die Schweiz an. Dort darf die Asche zu den dunkelblauen Diamanten weiterverarbeitet werden. "Wir wandeln die Asche doch nur in eine schönere Aufbewahrungsart um", rechtfertigt Wampl . Es handle sich eigentlich nur um einen "vertieften Kremationsvorgang". Die Totenruhe sei dabei genauso gegeben wie bei der Einäscherung.

Etwa 500 Gramm Asche benötigen die Schweizer, um daraus Diamanten unterschiedlichem Gewicht zu formen. Bei hohem Druck und hoher Temperatur wachse aus der karbonhaltigen Asche der Diamant "Atom für Atom", schildert Wampl der Herstellungsvorgang.

Größere Diamanten brauchen länger. Die Preise werden nach Karat berechnet und bewegen sich nach Wampls Angaben zwischen 3500 Euro für 0,4 Karat und 11 000 Euro für ein Karat. Der Stein könne dann auf einen Goldring gesetzt werden und sei ein "mobiles Erinnerungsstück".

Frauen tendierten eher zu Schmuckstücken aus der Asche, weiß Wampl. So habe eine Frau, die ihr Kind verloren hat, sich aus der Asche einen Ringstein formen lassen. "Für meine Mutter kam aber ein Ring so kurz nach dem Tod ihre Mannes nicht in Frage, das war ihr noch zu nah", schildert Wampl, wie es dazu kam, daß sein Vater als "Halbkaräter" im Schrank aufbewahrt wird.

Wampl ist in Lindau für deutsche Kunden Koordinator und Ansprechpartner für Trauerdiamanten und hält auch den Kontakt zu Bestattungsunternehmen. Einige Bestatter weisen Hinterbliebene bereits darauf hin, daß nach der Feuerbestattung die Möglichkeit zur Weiterverarbeitung der Asche zu Diamanten bestehe (www.algordanza.de).

Für Röhmel ist der Tod eine ernste Sache, religiöse Menschen wüßten um ihre Vergänglichkeit. Das Andenken an Gestorbene sei eine normale Sache, viele würden etwa eine Haarlocke als etwas Berührbares zur Erinnerung aufbewahren. Die Umwandlung in einen Diamanten nach dem Tod hält Röhmel aus christlicher Sicht für nicht hinnehmbar.

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