Ärzte im Kampf gegen häusliche Gewalt gefragt

Gewalt gegen Frauen ist vielfältig - sie reicht von Ohrfeigen, Fußtritten, Demütigungen, Isolierung bis hin zu Vergewaltigungen. Wenn Frauen oder Kinder von ihren Lebenspartnern oder Vätern verprügelt wurden, haben Ärzte eine Schlüsselposition.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Augen zu und alles erleiden - der schlechteste Weg.

Augen zu und alles erleiden - der schlechteste Weg.

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FRANKFURT/MAIN. "Die ärztlichen Atteste sind für die Betroffenen meist ein erster Schritt, gegen ihre Peiniger vorzugehen", sagt Gudrun Wörsdörfer von der Beratungsstelle Frauennotruf Frankfurt/Main. In Hessen registrierte die Polizei im vergangenen Jahr 7272 Fälle von häuslicher Gewalt, in 77 Prozent aller Fälle kam es zu Körperverletzungen. Die Polizei verzeichnet eine Zunahme der Anzeigebereitschaft. "Die Menschen erkennen, dass sich die Möglichkeiten der Polizei, den Opfern zu helfen, verbessert haben", heißt es beim Landeskriminalamt. Hintergrund, so Wörsdörfer, sei das Gewaltschutzgesetz aus dem Jahr 2002. Es halte die Polizisten dazu an, Täter und Opfer getrennt zu vernehmen und Anzeige zu erstatten. Zudem könnten die Beamten die Täter kurzfristig, für bis zu 14 Tage, von den Opfern trennen. "Das gibt den Frauen eine kurze Atempause", sagt die Expertin.

Misshandlungen sollten dokumentiert werden

Wenn sie sich dann beispielsweise dazu entschließen, das Wohnrecht für die gemeinsame Wohnung zu bekommen, das Sorgerecht für die Kinder zu beantragen oder ein Kontaktverbot, dann haben sie mehr Chancen, wenn sie mit einem Attest vom Hausarzt die erlittenen Misshandlungen dokumentieren können. "Es ist die Frau, die nachweisen muss, dass ihr Mann gewalttätig war", sagt Gudrun Wörsdörfer. Damit das Attest vor Gericht Bestand hat, sollte es einige Formalien erfüllen. "Die muss der Arzt nicht auswendig wissen", sagt die Expertin. Entsprechende Vordrucke mit Handlungsanleitungen und Dokumentationsbögen gibt es zum Beispiel bei der Beratungsstelle Frauennotruf. Sie können auch im Internet heruntergeladen werden. "Die Vordrucke bieten auch eine Art Fahrplan", sagt Wörsdörfer. "Das gesamte rechtsmedizinische Wissen steht Ärzten mit den Unterlagen komprimiert zur Verfügung."

Offene Worte des Arztes machen den Frauen Mut

Die Ärzte seien damit auf der sicheren Seite. In vielen zivilrechtlichen Verfahren würden sie ohnehin nur selten als sachverständige Zeugen in der Gerichtsverhandlung gehört. Ist der Befundbogen lückenlos, kann er auch von einem Rechtsmediziner vor Gericht interpretiert werden.

Zur ärztlichen Intervention gehört auch ein offenes Gespräch. Viele Betroffene haben den Blick auf die Realität verloren, sie fühlen sich mitschuldig, zweifeln an sich selbst, sind ohne Selbstbewusstsein. "Wenn dann ein Arzt sagt: ‚Das geht nicht, das können Sie nicht mit sich machen lassen‘, ist das oft ein Anstoß für die Frauen, gegen ihren Peiniger vorzugehen", so die Erfahrung von Wörsdörfer. Ärzte müssten in diesen Fällen keine Komplettlösungen anbieten, sie sollten aber wissen, an welche Beratungsstellen sie die Frauen verweisen können. Eine Liste mit Beratungs- und Schutzeinrichtungen findet sich im Anhang der Dokumentationsbögen des Frauennotrufs.

Info: www.frauennotrufe-hessen.de

Frankfurter Frauennotruf

Der Frauennotruf Frankfurt setzt sich seit über 25 Jahren für Frauen und Mädchen ein, die in Gewaltsituationen geraten sind und alleine keinen Ausweg finden. Eines der Hauptprojekte der letzten zwei Jahre war die Entwicklung und Implementierung eines ärztlichen Dokumentationsbogens nach sexueller Gewalt. Er soll die Arbeit von Ärzten und Polizei bei der Aufklärung solcher Gewaltdelikte vereinfachen. In Hessen ist der Bogen für die Untersuchung nach Vergewaltigung im Auftrag der Polizei verpflichtend eingeführt worden. (ine)

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