GBA will DMP um Komorbiditäten erweitern

Mehr als sechs Millionen Patienten sind in rund 11.000 Disease Management Programmen (DMP) eingeschrieben. Mehr als zehn Jahre nach der Einführung sollen die DMP nun geordnet und ihre Versorgungswirkung besser beleuchtet werden.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Eine Ärztin erklärt die richtige Handhabung beim Inhalieren. Das ist Teil des DMP Asthma.

Eine Ärztin erklärt die richtige Handhabung beim Inhalieren. Das ist Teil des DMP Asthma.

© Katarzyna Leszczynsk / fotolia.com

BERLIN. Gesetzgeber und Selbstverwaltung stellen derzeit die Weichen für eine effektivere Qualitätssicherung der Disease Management Programme (DMP).

Ziel ist es, die Behandlungspfade auch an den Begleit- und Folgeerkrankungen der bisher sechs Indikationen entlangzuführen.

Die Frage sei, ob die strukturierten Behandlungsprogramme zehn Jahre nach ihrer Einführung noch "richtig ausgerichtet" seien, sagte Dr. Rainer Hess, der Unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses bei einem von der wissenschaftlichen Fachzeitschrift "Monitor Versorgungsforschung" und dem Bundesversicherungsamt ausgerichteten Fachkongress am Montag in Berlin.

Noch immer sind die DMP Terra Incognita. Für fünf der sechs Indikationen gibt es keine Evaluationsberichte. Lediglich die Indikation Diabetes Typ 2 ist evaluiert.

"Die Kassen müssen sich der Verantwortung stellen, die Evaluation der DMP weiterzuentwickeln", sagte Hess.

Behandlungspfade evaluieren

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit dem Versorgungsstrukturgesetz die Instrumente in die Hand bekommen, allen Beteiligten die Werkzeuge für die Evaluierung in die Hand zu geben.

Dazu wird der Ausschuss die strukturierten Behandlungsprogramme aller Voraussicht nach in die sektorenübergreifende Qualitätssicherung einbeziehen. "DMP zu evaluieren, heißt Behandlungspfade zu evaluieren", sagte Hess.

Das bedeute, dass der GBA das Göttinger Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (AQUA) beauftragen könne, sektorenübergreifende Qualitätsindikatoren für die Behandlungsprogramme festzulegen.

Damit könnten die Behandlungsprogramme auch in den Übergängen zwischen Krankenhaus und Arztpraxis verfolgt und bewertet werden.

GBA setzt Fokus auf Begleiterkrankungen

Hess kündigte an, dass ein besonderes Augenmerk der Qualitätssicherer künftig den Begleit- und Folgeerkrankungen der sechs Indikationen, für die DMP zugelassen seien, gelten müsse. "Wir beschäftigen uns mit den Komorbiditäten", sagte Hess.

Vorschläge, DMP und Integrierte Versorgung zusammenzuführen, beurteilte Hess kritisch. Dies scheitere am Wettbewerb, zum Beispiel an der Bereinigung von Budgets. Der GBA arbeite daher daran, die DMP auf eine um die Komorbidität erweiterte Basis zu stellen.

Damit könnte der Ausschuss bereits heute bestehende Konfliktlinien überschreiten. So hat der GBA bereits vorgeschlagen, Patienten, die in das DMP "COPD" eingeschrieben sind, die medikamentöse Nikotinentwöhnung von den Kassen bezahlen zu lassen. Die lehnen dies allerdings ab. Das Gesundheitsministerium hat noch nicht darüber entschieden.

Zu neuen Behandlungsprogrammen, die die Selbstverwaltung neuerdings von sich aus auflegen könnte, gebe es im GBA derzeit eine "abwartende Haltung", sagte Hess. Der Ausschuss hat bereits Vorarbeiten für ein DMP "Depression" geleistet.

"Datenfriedhöfe können wir uns nicht leisten"

Ein weiterer Konflikt zeichnet sich mit der Einbindung des neuen spezialfachärztlichen Sektors in die strukturierten Behandlungsprogramme ab. Dies sei eine weitere Aufgabe für den GBA, dem Hess ab Juli nicht mehr vorstehen wird. Deswegen versah er seine Äußerungen auch mit einem Vorbehalt.

"DMP begründen eine gesteigerte Produktbeobachtungs- und Korrekturverantwortung für die Kontrollierer", bestätigte der Präsident des Bundesversicherungsamtes, Dr. Maximilian Gaßner, die Notwendigkeit, die Möglichkeiten zur Evaluation der DMP weiter voran zu treiben.

"Datenfriedhöfe können wir uns nicht leisten", sagte Gaßner. Deutschland müsse den weltweit einzigartigen Datenbestand nutzen und auswerten.

Wissenschaftler warnt vor zu hohen Ansprüchen

Die Ansprüche an die Evaluation sollten allerdings nicht zu hoch geschraubt werden, warnen Wissenschaftler. Es herrsche bei den DMP eine gewisse Atemlosigkeit, kritisierte Dr. Marcus Raedelli. Neue Regelungen folgten schneller aufeinander, als sie wissenschaftlich ausgewertet werden könnten.

Noch könnten die Effekte der strukturierten Behandlungsprogramme nicht sauber abgebildet werden. Unterbelichtet sei auch die Patientensicht. Wünschenswert seien vergleichende Patientenbefragungen in Deutschland und den USA, wo es die längste Erfahrung mit DMP gebe.

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