Kampagne

KV Niedersachsen setzt auf Priorisierung

"Begrenzte Vergütung, begrenzte Leistung"- das ist das Motto einer Aktion, mit der die KV Niedersachsen der Debatte um Priorisierung neuen Schwung verleihen will.

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Nichts geht ohne Priorisierung: Hausarzt Dr. Jörg Berling, KV-Vize in Niedersachsen.

Nichts geht ohne Priorisierung: Hausarzt Dr. Jörg Berling, KV-Vize in Niedersachsen.

© KVN

HANNOVER (cben). Der Vorstand der KV Niedersachsen hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Diskussion um die Priorisierung medizinischer Leistungen erneut anzustoßen und voran zu bringen.

Auf einem Symposium in Hannover erklärte die KVN Details ihrer Kampagne "Begrenzte Vergütung, begrenzte Leistung."

Dass Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), sich für Priorisierung einsetzt, ist nicht neu.

Aber auch Niedersachsens AOK-Chef Dr. Jürgen Peter unterstützte die Forderung nach einer Priorisierung von medizinischen Leistungen, wenn auch zaghaft.

Zwar forderte er erneut mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem, um an die unausgeschöpften Ressourcen zu kommen, lehnte aber die Priorisierung als solche nicht rundheraus ab.

Es geht um öffentliche Wahrnehmung

"Man muss als Kassenchef sehr vorsichtig sein, wenn es um die Priorisierung geht", sagte Peter.

Auf die Forderung, die Hausarzt und KVN-Vize Dr. Jörg Berling in seinem Eingangsstatement erhoben hatte, auch die Politik und die Kassen müssten sich daran beteiligen, den Patienten die bitteren Pillen der Priorisierung zu verabreichen, antwortete Peter indessen nicht.

Zuvor hatte die Spitze der KV Niedersachsen ihr "Vorstandsziel Priorisierung" differenziert erläutert und damit auch den Sinn der Veranstaltung: Öffentlichkeit schaffen.

Die Formel klingt simpel: "Ein Viertel der Leistungen aus dem RLV in Niedersachsen wird den Ärzten nicht vergütet", rechnete Mark Barjebruch vor, Vorstandsvorsitzender der KV Niedersachsen.

Da es keine "Flatrate" für medizinische Leistungen geben dürfe, könne man nur zur Formel greifen "Begrenzte Vergütung - Begrenzte Leistung."

Um dieses Ziel zu erreichen, brauche es zum Beispiel Dringlichkeitskriterien für medizinische Leistungen, um den Leistungskatalog abgrenzen zu können.

Ein klassischer Verteilungskonflikt

2040 werde sich die jüngere Generation dem Generationenpakt verweigern, sagte Montgomery.

Der Grund: Die Gruppe der 20- bis 60-Jährigen wird sich von 45,5 Prozent im Jahr 2010 auf 35,5 Prozent im Jahr 2050 verringert haben.

Und die Gruppe der über 60-Jährigen wird sich von 19,4 im Jahr 2010 auf 27 Prozent im Jahr 2050 vergrößert haben.

Da mit dem Alter auch die Krankheiten samt ihrer Kosten stiegen und auch das Durchschnittalter der Ärzte immer mehr steige, werde man es bald "mit einem klassischen gesellschaftlichen Verteilungskonflikt zu tun haben", so Montgomery.

Dr. Stefan Etgeton, Senior Expert im Programm "Versorgung verbessern - Patienten informieren" der Bertelsmann Stiftung, kehrte die Blickrichtung um und erklärte die Priorisierung, überspitzt gesagt, zur Patientenaufgabe.

Laut "Faktencheck Gesundheit" der Bertelsmann Stiftung sind etwa Klinikbehandlungen bei Depressionen in NRW doppelt so häufig wie in Sachsen-Anhalt und die Häufigkeit der Mandeloperationen variiert in den verschiedenen Landkreisen Deutschlands um das Achtfache, referierte Etgeton: "Die Versorgung scheint nicht überall bedarfsgerecht zu sein".

Örtliche Gewohnheiten, Anbieterdichte oder auszulastende Kapazitäten führten offenbar zu unterschiedlicher Versorgungs- und Leistungsdichte, so Etgeton.

Er setzt aber vor allem auf den informierten und mündigen Patienten. Eine gute Gesundheitsinformation müsste ihm etwa klar machen, wo sein Bedürfnis die Ressourcen übersteige.

Besser zuhörende Hausärzte würden entdecken, dass nicht alle Eltern unbedingt Antibiotika für ihr Kind fordern, kritisierte Etgeton. Transparentere Gesundheitsinformationen würden auch dem Patienten zu mehr Durchblick verhelfen.

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