Kampf gegen Terror

Lockerung der Schweigepflicht vom Tisch

Bundesinnenminister de Maizière will an der ärztlichen Schweigepflicht nicht rütteln. In seiner Sicherheitsagenda ist nach Kritik von Ärzten von einer Lockerung keine Rede mehr.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Die bestehenden Regeln für die ärztliche Schweigepflicht sind ausreichend, betonte Innenminister de Maizière.

Die bestehenden Regeln für die ärztliche Schweigepflicht sind ausreichend, betonte Innenminister de Maizière.

© LL28 / iStock.com

BERLIN. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat am Donnerstag Meldungen relativiert, er wolle die ärztliche Schweigepflicht im Rahmen einer Verschärfung von Anti-Terror-Gesetzen aufweichen.

Nach den harschen Reaktionen aus der Ärzteschaft auf Ankündigungen, die ärztliche Schweigepflicht könnte im Dienste der inneren Sicherheit instrumentalisiert werden, hatte der Minister nach bestätigten Informationen der "Ärzte Zeitung" noch am Mittwoch mit Ärztepräsident Professor Frank Ulrich Montgomery gesprochen.

Das Gesundheitsministerium hat die Aufnahme des Dialogs begrüßt. Die bestehenden Regeln zur Schweigepflicht seien ausreichend, hieß es dort.

De Maizière: Sicherheit für Ärzte

"Wir wollen die Schweigepflicht bewahren", hat de Maizière nun vor der Presse klargestellt. Tatsächlich gehe es ihm darum, Handlungssicherheit für Ärzte zu schaffen, die im Kontakt mit Patienten von der Vorbereitung von Gewalttaten erfahren. "Mit einer Lockerung der Schweigepflicht hat das nichts zu tun", sagte der Minister.

Er werde bei diesem Thema nur im Einvernehmen mit den Ärzten handeln. Wörtlich: "Wir wollen auch darüber reden, wie wir für Ärzte eine Hilfestellung in diesen schwierigen Fragen erreichen können."

Die Erklärung des CDU-Politikers wurde am Donnerstag in der Ärzteschaft allgemein begrüßt. "Es ist gut, dass der Bundesinnenminister heute klar gestellt hat, dass die ärztliche Schweigepflicht nicht zur Disposition steht", sagte der Präsident der Bundesärztekammer Professor Frank Ulrich Montgomery.

Er nehme das Gesprächsangebot gerne an, gemeinsam mit Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die Prinzipien ärztlicher Schweigepflicht zu erläutern und die durch die entsprechenden Paragrafen des Strafgesetzbuches mitunter entstehenden schwierigen Situationen zu erörtern.

Dass die Politik Möglichkeiten suche, die Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen oder Amokläufen zu schützen, sei nachvollziehbar, sagte der Präsident der Landesärztekammer Hessen Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach.

Eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht dürfe damit allerdings nicht verbunden sein. Ärzte, die von ihren Patienten etwas erführen, was zur Gefährdung von Menschenleben führen könnte wie Mord oder das Herbeiführen einer Explosion, seien schon jetzt per Gesetz verpflichtet, die Informationen an die Behörden weiter zu geben, betonte zu Hatzbach.

Psychotherapeuten wollen mitreden

"Bei politisch geprägten Anschlägen spielen neben eventuellen psychischen Störungen ganz andere Ursachen mit. Diese Täter kommen im Allgemeinen nicht in unsere Behandlung", sagte die Vorsitzende der Bundespsychotherapeutenvereinigung Barbara Lubisch.

Wichtig ist es, dass in den Dialog um die Schweigepflicht das Bundesinnenministerium die Psychotherapeuten eng mit einbeziehe.

Der Chef des Marburger Bundes, der CDU-Abgeordnete Rudolf Henke, betonte die jeweils individuelle Güterabwägung durch den Arzt, an der sich wenig ändern lasse.

Es sei gut, dass der Minister im Dialog mit den Ärzten Fragen der Handlungssicherheit für Ärzte erörtern wolle, wenn sie im Falle eines rechtfertigenden Notstands Behörden informierten.

Die Patientensicht nahm der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands Ulrich Weigeldt ein. "Die ärztliche Schweigepflicht ist ein fundamentales Recht der Patienten", sagte Weigeldt.

Allen Beteiligten muss klar sein: Die Ärzte sind nicht der verlängerte Arm der Sicherheitsbehörden.Würde man nun beginnen, die Schweigepflicht auszuhöhlen, würde das Vertrauensverhältnis zwischen den Patienten und ihren Ärzten nachhaltig Schaden nehmen, sagte Weigeldt.

Skeptische Töne schlug der Koalitionspartner an. Es bleibe abzuwarten, ob der Vorschlag de Maizières ein populistischer Schnellschuss sei, oder ob er wirkliche Verbesserungen bei der Rechtsklarheit für Ärzte schaffe, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Hilde Mattheis.

Vor einer Stigmatisierung psychisch kranker Menschen als besonders gefährlich warnte die Grünen-Politikerin Maria Klein-Schmeink. Dass diese Patienten andere Menschen gefährdeten, sei die absolute Ausnahme.

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