Spahns neues Gesetzesvorhaben

Mehr Sicherheit vor Arzneimittelpfusch

Die aktuellen Arznei-Skandale haben den Gesetzgeber auf den Plan gerufen. Die Kompetenz der Bundesinstitute bei Rückrufen soll gestärkt werden. Generell soll der Arzneimittelvertrieb sicherer werden.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Das „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) soll Sicherheitszäune gegen zum Teil kriminelle Verfehlungen im Arzneimittelvertrieb einziehen, heißt es aus dem BMG.

Das „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) soll Sicherheitszäune gegen zum Teil kriminelle Verfehlungen im Arzneimittelvertrieb einziehen, heißt es aus dem BMG.

© [M] Dirk Czarnota / Fotolia

BERLIN. Der Gesetzgeber zieht Konsequenzen aus dem Lunapharm-Skandal. Am Freitag hat das Gesundheitsministerium einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Das „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) soll Sicherheitszäune gegen zum Teil kriminelle Verfehlungen im Arzneimittelvertrieb, in der Qualitätssicherung beim Import von Arzneimitteln, bei der Herstellung von Zytostatika in Apotheken und der Abgabe von selbst hergestellten Onkologika durch Heilpraktiker einziehen.

„Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass Arzneimittel heilen und ihnen nicht schaden“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dazu am Freitag.

Stichwort Lunapharm: Die Kompetenz der Bundesinstitute bei Rückrufen soll gestärkt werden. Das Paul-Ehrlich-Institut und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sollen Rückrufe auf Länderebene koordinieren und Versorgungsengpässe abwenden. Die Bundesoberbehörden sollen Rückrufe auslösen können bei Qualitätsmängeln, negativem Nutzen-Risiko-Verhältnis und beim Verdacht auf Arzneimittelfälschungen.

Stichwort Valsartan: Bei verunreinigten Chargen von Arzneimitteln sollen die Krankenkassen einen Anspruch auf Regress gegenüber dem Hersteller erhalten. Gleichzeitig sollen die Kassen bei Rabattverträgen mit dem Hersteller eine „unterbrechungsfreie und bedarfsgerechte“ Lieferung von Arzneien aushandeln und somit Mitverantwortung in der Lieferkette tragen. Patienten wird zugestanden, dass sie bei einer erneuten Verordnung nach einem Arzneimittelrückruf nicht noch einmal die Rezeptgebühr zahlen müssen.

Dieser Plan stieß umgehend auf Zustimmung in der Industrie. Kassen sollten Rabattverträge stets mit mehreren Herstellern abschließen müssen, forderte Dr. Martin Zentgraf vom Industrieverband BPI. Zudem sollten jeweils drei Wirkstoffquellen gesichert sein.

Stichwort Zytostatika: Mit Zubereitungen von Onkologika setzen gerade einmal 300 Apotheken rund 3,6 Milliarden Euro im Jahr um. Sie sollen künftig häufiger unangemeldet kontrolliert werden. Außerdem verhandeln sie künftig die Einkaufspreise der Rezeptur-Zytostatika nicht mehr selbst, sondern erhalten ein Fixhonorar in Höhe von 110 Euro pro Herstellung.

Stichwort Heilpraktiker: Die Herstellung verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch Angehörige nichtärztlicher Berufe soll erlaubnispflichtig werden. Außerdem soll eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, um die Herstellung von Frischzellen zur Anwendung am Menschen zu verbieten.

Weitere Änderungen laut GSAV

Der Gesetzentwurf, sieht noch einige weitere Neuerungen vor, die zum Teil schon im Vorfeld durchgesickert waren. So soll das elektronische Rezept deutlich früher starten. Das GSAV sieht dafür einen Fahrplan bis Februar 2020 vor. Nach dem für Juli 2019 vorgesehenen Inkrafttreten des Gesetzes soll die Selbstverwaltung binnen sieben Monaten ein Regelwerk für den Einsatz der elektronischen Arzneimittelverordnung schaffen.

Das GSAV sieht zudem eine Änderung der Importförderklausel vor. Der Abstand von mindestens 15 Euro zwischen inländischem Original und von Apotheken abzugebendem Import-Präparat soll fallen. Auf die festgelegte Importquote würde dann nur noch ein Mindest-Preisabstand von 15 Prozent zum Import-Medikament angerechnet.

Für Ärzte wie auch Patienten relevant: Bei der Versorgung mit medizinischem Cannabis soll laut BMG – nach einmal erfolgter Genehmigung – künftig kein erneuter Antrag bei der Krankenkassen im Falle einer Anpassung der Dosierung oder eines Wechsels der Blütensorte (Wechsel von Blüten der einen Sorte zu Blüten einer anderen Sorte oder Wechsel zwischen verschiedenen Extrakten) notwendig sein.

Und auch die Austauschoption von Originalpräparaten (Biologicals) durch ein Biosimilars steht im Entwurf. Dazu soll der G-BA in einer Richtlinie festlegen, wann ein solcher Austausch erfolgen kann. (Mitarbeit run)

Lesen Sie dazu auch: Zytostatika: Kassen sollen Preise selbst aushandeln

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erläutert in einem Video auf Youtbe nochmals die Kerninhalte seines neuen Gesetzesvorhabens.

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