Ärztezentren sehen sich nicht als Notnagel

Der Streit um MVZ ist neu entfacht. Nach Ansicht der Berliner KV sind sie nur "Notnagel" für die medizinische Versorgung, eine Entlastung brächten sie nicht. Der Bundesverband der MVZ weist das als "absurd" zurück.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
MVZ - der "Notnagel" für die medizinische Versorgung?

MVZ - der "Notnagel" für die medizinische Versorgung?

© [M] steinach / imago | plc

BERLIN. Bei Ärzteorganisationen gelten Medizinische Versorgungszentren (MVZ) als wenig versorgungsrelevant. MVZ könnten die Versorgung nicht stärken, sagte der Berliner KV-Vize Dr. Uwe Kraffel kürzlich in der Vertreterversammlung.

Kraffel zufolge behandeln alle Berliner Ärzte im Durchschnitt 1228 Patienten im Quartal. In den Versorgungszentren der Stadt dagegen behandelten die Ärzte jeweils nur 810 Patienten im Quartal. Das bedeute für das Versorgungsgeschehen keine Entlastung. MVZ könnten deshalb nur als "Notnägel" gesehen werden.

Kraffels Rechnung stößt auf Widerspruch beim Bundesverband Medizinische Versorgungszentren (BMVZ). Die MVZ hätten viel häufiger als die Einzelpraxen Zulassungen geteilt - bis hin zu Viertelstellen.

"Dies ergibt - schon wegen des gedeckelten Regelleistungsvolumens -nach Adam Riese automatisch eine geringere Fallzahl pro Arzt, nicht aber pro Zulassung", sagt der Vorstandsvorsitzende des BMVZ Dr. Bernd Köppl.

Viele MVZ sind hoch spezialisiert

Aber auch aus anderen Gründen gehe Kraffels Rechnung an der Versorgungsrealität vorbei, heißt es beim BMVZ. Viele MVZ wie die Schmerzambulanzen und die onkologischen Schwerpunktpraxen in Berlin seien hoch spezialisiert, sagte Köppl der "Ärzte Zeitung".

Der von Kraffel angegebene Durchschnitt über alle Arztgruppen, einschließlich der fallzahlstarken Allgemeinmediziner, zeichne also "ein schiefes Bild der Realität".

Keine Leistungsunterschiede bei Praxis und MVZ

Die Unterschiede in den Arbeitszeiten müssten nach Ansicht des BMVZ ebenfalls in einen Vergleich einfließen, um zu realistischen Ergebnissen zu kommen.

Eine Umfrage des Verbandes unter 226 Medizinischen Versorgungszentren habe ergeben, dass bei 64 Prozent der befragten Zentren Ärzte in Teilzeit beschäftigt sind. In 22 Prozent arbeite sogar die Mehrheit der Ärzte in Teilzeit.

Daraus den Vorwurf zu stricken, dass ein angestellt arbeitender Arzt nicht dasselbe Pensum schaffe wie ein sich selbst ausbeutender selbständiger Kollege, wies der BMVZ als "absurd" zurück. Ein Vergleich der Leistung je Stunde würde ergeben, dass es Produktivitätsunterschiede zwischen in MVZ angestellten und niedergelassenen Ärzten nicht gebe, sind die Verantwortlichen beim BMVZ überzeugt.

Das Gesundheitsministerium hat die MVZ in seine Überlegungen zur künftigen Versorgung aufgenommen. Im Eckpunktepapier der Koalition ist den MVZ ein eigener Punkt gewidmet. Dieser besagt, dass MVZ künftig nur unter engeren Voraussetzungen als heute zugelassen werden dürfen. Praktisch nur noch Ärzte und Krankenhäuser sollen MVZ gründen und führen dürfen.

Damit wollen die Koalitionäre verhindern, dass reine Kapitalbeteiligungen Gewinne aus der vertragsärztlichen Versorgung ziehen. Aus Sicht des BMVZ ist das "kontraproduktiv".

Aber auch für manche Ärzte ist diese Einschränkung der falsche Weg. "MVZ nur bei Ärzten ist die größte Enttäuschung des Versorgungsgesetzes", kommentierte Professor Axel Ekkernkamp, der Ärztliche Direktor und Geschäftsführer des Unfallkrankenhauses Berlin.

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