Ärztemangel

Vom rollen Arzt zum rollenden Patienten

Sachsen hat besonders große Probleme, junge Ärzte zur Niederlassung in der Provinz zu bewegen. Inzwischen wächst die Einsicht: Um die Versorgung zu sichern, müssen künftig Patienten zum Arzt gebracht werden.

Von Thomas Trappe Veröffentlicht:
Ein Landarzt auf dem Weg zu seinen Patienten. Künftig werden Patienten zum Arzt gebracht werden müssen.

Ein Landarzt auf dem Weg zu seinen Patienten. Künftig werden Patienten zum Arzt gebracht werden müssen.

© Klaus Rose

DRESDEN. Um die Versorgung von Patienten in ländlichen und von Bevölkerungsschwund betroffenen Regionen sicherzustellen, wird es künftig verstärkt nötig sein, nicht nur die Ärzte, sondern auch die Patienten zu mobilisieren.

Davon ist Michael Rabe, Geschäftsführer des Dresdner Bezirks der KV Sachsen, überzeugt, wie er beim jüngsten Netzwerktreffen "Ärzte für Sachsen" deutlich machte.

"Wir können und müssen über viele Modelle der ärztlichen Versorgung auf dem Land reden. Aber wir kommen auch nicht umhin, den Patienten zum Arzt zu bringen, wenn wir die Versorgung sichern wollen", sagte Rabe.

Das Netzwerk "Ärzte für Sachsen", von der Landesärztekammer ins Leben gerufen, beschäftigt sich seit vier Jahren damit, wie der Ärztemangel in der sächsischen Provinz zu bekämpfen ist.

Auf der Tagung wurde auch über die grundsätzlichen Schwierigkeiten diskutiert, den Ärztenachwuchs überhaupt zu einer Tätigkeit auf dem Land motivieren zu können - selbst monetäre Anreize würden hier häufig ins Leere laufen .

Für die Organisatoren und Teilnehmer des Treffens bleibt die Frage, welche Alternativen es zur Niederlassung in der Provinz gibt. Rabe nannte als Beispiel Zweigniederlassungen und den "rollenden Arzt" - und brachte die Bedenken dagegen gleich selbst vor.

"Egal, welches neue Modell man angeht, es kostet immer Arzt-Zeit", also Zeit, die für die Versorgung der Patienten verloren ist. Die Patienten zum Arzt zu bringen, sei da naheliegend und auch nötig.

Junge Ärzte haben Sorgen vor der Zukunft

Eines der Hauptprobleme, Ärzte zu einer Niederlassung auf dem Land zu überzeugen, sei - neben der in diversen Nachwuchs-Umfragen belegten Abneigung gegen die Provinz - die Angst davor, dort den Grundstein für ein Leben mit ungewisser Zukunft zu legen.

"Viele fürchten die Bürokratie und die Schulden." Das träfe vor allem auf Fachärzte zu, sagte Rainer Striebel, stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der AOK Plus.

"Es ist nachvollziehbar, dass sich ein angehender Pädiater oder Gynäkologe scheut, eine Praxis auf dem Land zu eröffnen oder zu übernehmen. Schließlich kann er nicht wissen, ob es in 30 Jahren überhaupt noch einen Patientenstamm gibt."

Naheliegend scheinen daher Versorgungsmodelle, bei denen Ärzten das unternehmerische Risiko genommen wird und sie flexibel bleiben. Als zukunftsfähiges Modell präsentierte das Netzwerk die Elbland Polikliniken GmbH, die im Landkreis Meißen an sieben Standorten 14 Praxen mit insgesamt neun Fachrichtungen betreibt.

Ralph Schibbe, Geschäftsführer der Elbland Polikliniken, bestätigte bei der Vorstellung seines Unternehmens den Eindruck sächsischer Ärztevertreter.

"Wir müssen den Berufsvorstellungen junger Ärzte Rechnung tragen. Diese sehen in der klassischen Niederlassung in einer Einzelpraxis kaum noch eine Option."

Feste Arbeitszeiten, kaum Verwaltungsaufgaben

Sein Fazit: "Anstellung in einer Praxis, Gründung einer Zweigpraxis, Gemeinschaftspraxis und MVZ lauten die zukunftsträchtigen Schlagworte."

Schibbe erklärte, dass die Personalsuche für sein Unternehmen schwer sei. "Wir bekommen nicht zehn Bewerbungen auf eine Stelle, wir bekommen eine."

Umso wichtiger sei es, attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten - und diese unterscheiden sich deutlich vom Praxisalltag. "Es gibt feste Arbeitszeiten und alle administrativen Tätigkeiten fallen weg", so Schibbe.

Da die meisten Ärzte seiner Polikliniken aus dem stationären Bereich kämen, bemühe man sich auch, "sie zu Beginn an die Hand zu nehmen".

Bezahlt werden die Ärzte in den Elbland Polikliniken "leistungsgerecht", so Schibbe. Soll heißen: Ihre Vergütung ist variabel und wird auf Grundlage des Praxisergebnisses berechnet.

Schlagworte:
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen