KBV-Chef im Bundestag

"Individualfehler sind nicht immer zu verhindern"

Anhörung zum Selbstverwaltungsstärkungsgesetz: Die Fragen an KBV-Chef Gassen brachten diesen kaum ins Schwitzen. Nur eine Abgeordnete bohrte etwas nach.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Von der KBV-Zentrale in den Bundestag: Dr. Andreas Gassen äußerte sich bei der Anhörung zum Selbstverwaltungsstärkungsgesetz.

Von der KBV-Zentrale in den Bundestag: Dr. Andreas Gassen äußerte sich bei der Anhörung zum Selbstverwaltungsstärkungsgesetz.

© Michaela Illian

BERLIN Als Auslöser für das Selbstverwaltungsstärkungsgesetz gelten gemeinhin die umstrittenen Immobiliengeschäfte der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die Führung der KBV in der Vergangenheit und der tiefe Riss, der sich im Vorstand der Körperschaft aufgetan hatte.

In der Anhörung im Bundestag am Montag in Berlin war dies nur indirekt zu spüren. Die Vertreter von Zahnärzten, Krankenkassen und des GBA wurden nicht müde zu betonen, dass ihr Handeln keinen Anlass für eine Eingreifen des Gesetzgebers gegeben habe.

Lediglich drei Fragen richteten die Abgeordneten an den Vorstandsvorsitzenden der KBV Dr. Andreas Gassen. Ins Schwitzen brachten die ihn nicht. Der CDU-Abgeordnete Michael Hennrich wollte wissen, wie Gassen denn die Regelung werte, dass für die Mitgliedschaft angestellter Ärzte in einer Kassenärztlichen Vereinigung eine Wochenarbeitszeit von zehn Stunden gelten solle. Die Orientierung am hälftigen Versorgungsauftrag sei "sachgerecht", erwiderte Gassen.

50 Minuten später sollte sich Gassen auf Anfrage der SPD-Abgeordneten Sabine Dittmer dazu äußern, was er von einer Prüfung der Körperschaften durch den Bundesrechnungshof halte. Er sehe keine rechtliche Notwendigkeit dafür, antwortete der KBV-Chef. Schließlich flössen an die Körperschaften der Vertragsärzte keine "unmittelbaren Mittel des Bundes".

Linke: Gesetzesvorhaben nur Aktionismus?

Erst die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken Kathrin Vogler rührte an die Wurzel des Gesetzes – allerdings sehr vorsichtig. Man habe sich gewundert, dass in der Stellungnahme der KBV nichts darüber zu lesen sei, warum die Bundesregierung überhaupt auf die Idee gekommen sein könnte, die Selbstverwaltung etwas stärker an die Kandare zu nehmen.

Daher wolle die Linke wissen, ob die Regierung denn bislang wirklich zu wenig Möglichkeiten gehabt habe, die KBV zu beaufsichtigen, oder ob es sich bei dem Gesetzesvorhaben um Aktionismus handele? Gassen bedankte sich höflich für die Frage, schob aber sofort nach, dass er sich schwer tue, sie zu beantworten. Der Anlass für das Gesetz möge nachzuvollziehen sein, sagte Gassen. Individualfehler, die passierten, seien aber nicht immer zu verhindern. In seiner Wahrnehmung habe er nicht den Eindruck, dass die Bundesregierung ihre Aufsichtsmöglichkeiten nicht genutzt hätte.

SPD: Was bringt die neue Aufsicht?

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Hilde Mattheis stellte ihrer Frage an die unabhängigen Sachverständigen die Bemerkung voran, dass die Ausschussmitglieder sehr wohl wüssten, warum sie sich mit diesem Gesetzentwurf auseinandersetzen müssten. Sie wolle wissen, wie sie die Möglichkeiten der aktuellen Aufsicht einschätzten im Vergleich mit dem, was mit dem Selbstverwaltungsstärkungsgesetz kommen solle.

Sachverständiger: "Wenig Sympathie" für das Gesetz

Die unabhängigen Sachverständigen hoben stark darauf ab, dass Selbstverwaltung mehr sei als die fünf betroffenen Einheiten, auf die das Bundesgesundheitsministerium Einfluss ausüben könne. Gemeint sind die Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, der GKV-Spitzenverband, der Medizinische Dienst des Spitzenverbands und der Gemeinsame Bundesausschuss.

Franz Knieps, der nicht als Chef des BKK-Dachverbandes, sondern als Sachverständiger angesprochen war, äußerte "wenig Sympathie" für die meisten Inhalte des Gesetzentwurfs. Die Vorstellung, mit ein "bisschen mehr Fachaufsicht" lasse sich etwas erreichen, sei irreführend.

Selbst ein gut ausgestattetes Selbstverwaltungsaufsichtsreferat im Bundesgesundheitsministerium wäre nicht in der Lage, alle fachlichen Aspekte der Selbstverwaltung zu erfassen.

Dahinter stehe das tiefer reichende Problem: "Wer verantwortet was im Gesundheitswesen", sagte Knieps. Es sei erforderlich, die Aufgaben und Funktionen im Gesundheitswesen klarer zuzuteilen. Wenn man ein selbstverwaltetes System wolle, benötige die Selbstverwaltung dann auch echte Spielräume.

Die Politik müsse grundsätzlich in Frage stellen, ob die Aufgabenzuweisung zwischen Staat, Selbstverwaltung und wettbewerblichen Akteuren angemessen sei. "Wir müssen alles, was nach verschleierten Durchgriffen aussieht, ganz energisch zurückweisen", sagte Knieps. Auf der anderen Seite müssten bei Fehlverhalten der Selbstverwaltung dann aber auch die vorhandenen Sanktionsinstrumente "schnell und sichtbar" eingesetzt werden, damit die Bevölkerung Respekt vor und Vertrauen zur Selbstverwaltung haben könne, sagte Knieps.

Unerwünschte Nebenwirkungen erwartet

Der unabhängige Sachverständige Eckehard Linnemann warnte den Gesetzgeber vor unerwünschten Nebenwirkungen eines solchen Gesetzes. In der Öffentlichkeitswirkung werde damit auch die soziale Selbstverwaltung, also die von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragene Selbstverwaltung beschädigt.

Ihre Vertreter trügen Verantwortung für Leistungen und Beiträge zugleich. Ihre Expertise speise sich zudem aus der Lebenswirklichkeit. Die Politik solle sich die unterschiedlichen Rollen der Selbstverwaltung noch einmal vergegenwärtigen und sich überleben, wer diese Rollen ausfüllen solle. "Meine Empfehlung ist einfach", sagte Linnemann. "Hören Sie auf die soziale Selbstverwaltung zu schwächen, indem sie permanent in die Beitragsautonomie eingreifen." Er schlage vor, die Themen der sozialen Selbstverwaltung aus dem Gesetzentwurf herauszulösen und in die nächste Legislatur zu schieben.

Damit schloss Linnemann die Klammer zum Ursprung der Gesetzesidee. Ohne Kassen, MDS und GBA blieben nur die Ärzte und Zahnärzte als Adressaten des Gesetzes übrig.

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