Diagnose-Upcoding: Koalition nimmt Kassen an die Kandare

Union und SPD wollen Upcoding-Verträgen zwischen Kassen und Ärzten den Garaus machen. Die Kontrollen des BVA sollen dazu verschärft werden.

Florian StaeckVon Florian Staeck und Anno FrickeAnno Fricke Veröffentlicht:
Bis zu 10 Mio. Euro Zwangsgeld soll das Bundesversicherungsamt künftig gegen eine Krankenkasse festsetzen können, wenn diese z.B nicht bei der Aufklärung von Diagnose-Auffälligkeiten kooperiert.

Bis zu 10 Mio. Euro Zwangsgeld soll das Bundesversicherungsamt künftig gegen eine Krankenkasse festsetzen können, wenn diese z.B nicht bei der Aufklärung von Diagnose-Auffälligkeiten kooperiert.

© Christian Ohde / chromorange / picture-alliance

BERLIN. Die große Koalition will das Upcoding von Diagnosen verhindern und nimmt vor allem Betreuungsstrukturverträge aufs Korn.

Dazu wird ein Änderungsantrag an das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz angedockt, das am 25. Januar im Gesundheitsausschuss beraten wird. "Krankenkassen haben Patienten auf dem Papier kränker gemacht, um so mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich zu bekommen. Dieses Geschäftsmodell des Upcoding müssen wir im Keim ersticken", sagte die SPD-Gesundheitspolitikerin Martina Stamm-Fibich der "Ärzte Zeitung". Mittels dieser Verträge haben Kassen in etlichen Fällen Wirtschaftlichkeits- und Abrechungsprüfungen genutzt, um nachträglich Diagnosen übermitteln zu lassen. Ziel ist es dabei, mehr Mittelzuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zu erhalten.

Solchen Verträgen soll der Bestandsschutz entzogen werden. Derartige Vereinbarungen nach Paragraf 140a SGB V, in denen es nicht um Versorgungsleistungen für Versicherte geht, "erfüllen nicht die gesetzlichen Anforderungen", heißt es in dem Antrag, der der "Ärzte Zeitung vorliegt.

Klargestellt wird weiter, dass es ein "Fehlverhalten" darstellt, wenn Vertragsärzte sich allein für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen eine zusätzliche Vergütung gewähren lassen. Auch die Beratung von Ärzten durch Kassenvertreter und Dritte soll verboten werden.

Hingegen hat der frühere Vorstandschef der DAK Gesundheit, Herbert Rebscher, im Dezember betont, die Vereinbarungen der DAK seien "clean": "Alle, die vorschnell meinen, dass diese Verträge kritisch sind, werden sich noch wundern", sagte Rebscher der "Ärzte Zeitung".

Die Koalition plant indes, dass die Kontrollen des Bundesversicherungsamts (BVA) mehr Biss erhalten: Bisher ist die Aufsicht auf die Kooperation der Kassen angewiesen. Künftig gilt für sie eine Mitwirkungspflicht. Anderenfalls kann das BVA ein Zwangsgeld von bis zu zehn Millionen Euro verhängen.

Die SPD-Abgeordnete Stamm-Fibich bezeichnet eine gesetzliche Regelung als "überfällig". "Anderenfalls wird der Risikostrukturausgleich ad absurdum geführt."

Genau um dessen Zielgenauigkeit sorgen sich die Kassen. Wenn man die Beratungsstrukturverträge und das Rightcoding abschaffe, müsse man Kodierrichtlinien dafür einführen, kommentierte AOK-Sprecher Dr. Kai Behrens die Aktivitäten der Koalitionäre.

Als ein auslösendes Moment der Neuregelung gilt das Bekenntnis von Jens Baas, Vorstandschef der Techniker Kasse. Im Oktober hatte er in einem Rundumschlag allen Kassen "Schummelei" bei der Kodierung attestiert.

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