Wirtschaftskraft und Jobmotor

Gesundheitswirtschaft brummt

Die Gesundheitswirtschaft präsentiert sich stark. Sie erreicht 2015 einen Anteil von zwölf Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Die steigende Wertschöpfung sorgt zudem für Wirtschaftskraft auch in den neuen Ländern - und Jobs. Jeder Sechste arbeitet mittlerweile in dieser Branche.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Jobmotor Gesundheitswirtschaft: Jeder sechste Erwerbstätige ist Gesundheitswerker.

Jobmotor Gesundheitswirtschaft: Jeder sechste Erwerbstätige ist Gesundheitswerker.

© Gunnar Assmy / fotolia.com

BERLIN. Die Gesundheitswirtschaft brummt. 2015 stieg ihr Anteil an der Gesamtwirtschaft auf 324,3 Milliarden Euro und erreichte damit erstmals die Marke von zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von drei Billionen Euro.

Das geht aus der gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung hervor, die das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) am Montag vorgelegt hat.

Zum Vergleich: Den größten Beitrag zum Inlandsprodukt erbringt ausweislich der Daten des Statistischen Bundesamts die Industrie mit rund 700 Milliarden Bruttowertschöpfung, gefolgt vom öffentlichen Sektor mit knapp 500 Milliarden und dem Sektor Handel, Verkehr, Gastgewerbe mit rund 420 Milliarden Euro.

Unterschiede zwischen Ost und West in den Strukturen

Die Produktion von Waren und Dienstleistungen in der Gesundheitswirtschaft sind in diesen Werten enthalten und werden vom BMWi für die Gesamtrechnung herausgezogen.

6,8 Millionen Menschen hat die Gesundheitsbranche im zurückliegenden Jahr beschäftigt. Damit war rund jeder sechste Erwerbstätige in der Branche tätig. Das waren rund 100.000 mehr als 2014 und 900.000 mehr als im Jahr 2004.

Erstmals hat das Ministerium eine Sonderauswertung für die neuen Länder vorgelegt. Die haben aufgeholt, das Niveau der westdeutschen Bundesländer aber noch nicht erreicht.

Im Schnitt wächst der Wirtschaftszweig in Ost und West mit 3,5 Prozent im Jahr etwa gleich stark und damit gut doppelt so kräftig wie die Gesamtwirtschaft.

Die Unterschiede finden sich in den Strukturen. "Während die Wirtschaft im Westen eher industriell geprägt ist, ist sie in den neuen Ländern dienstleistungsorientierter", sagte die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, die parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke (SPD) bei der Vorstellung des Berichts.

Dennoch zeigt sich: Die neuen Länder profitieren von der Gesundheitswirtschaft relativ etwas stärker als die Länder der alten Bundesrepublik. Der Osten hat seit der Wende auch in anderer Hinsicht gewonnen.

Der Hinzugewinn an Lebenserwartung in den neuen Ländern lasse die Unterschiede nahezu verschwinden, sagte Gleicke. Auch der Ärztemangel, den es gegen Ende der DDR gegeben habe, sei nicht mehr in diesem Maße zu spüren.

Wirtschaftsbericht bestätigt Trends

Die Ambulantisierung der medizinischen Versorgung schlägt auf die gesundheitswirtschaftliche Gesamtrechnung durch. Seit 2004 ist die Wertschöpfung in nicht-stationären Einrichtungen der medizinischen Versorgung jährlich um 3,9 Prozent gewachsen, in stationären dagegen nur um 3,6 Prozent.

Damit hat sie im ambulanten Sektor im Jahr 2015 gut 79 Milliarden Euro und damit 27 Milliarden Euro mehr als 2004 erreicht. Im stationären Sektor liegt sie bei knapp 94 Milliarden Euro und damit 30 Milliarden Euro höher als vor zwölf Jahren.

Die Entwicklung lässt sich auch an der Personalentwicklung ablesen. In nicht-stationären Einrichtungen ist die Zahl der Beschäftigten seit 2004 um zwei Prozent pro Jahr auf noch nicht abschließend bestätigte 2,2 Millionen gewachsen, in stationären Einrichtungen im gleichen Zeitraum um im Schnitt 1,6 Prozent auf 1,9 Millionen Beschäftigte.

Weiter geht die Schere bei der Pflege auf. Hier wachsen die Ausgaben für die ambulante Pflege seit 2004 um sieben Prozent im Jahr. Im Jahr 2013 hatten sie 11,3 Milliarden Euro erreicht.

Die im Raum stehenden Schäden durch Abrechnungsbetrug einiger osteuropäischer Pflegedienste von zwischen einer und zwei Milliarden Euro könnten also einen zweistelligen Prozentsatz der gesamten Ausgaben für die ambulante Pflege ausmachen.

Die stationäre Pflege verzeichnete seit 2004 im Jahresschnitt exakt nur die Hälfte an Ausgabenwachstum und liegt ausweislich der Daten des Statistischen Bundesamts von 2013 bei Ausgaben in Höhe von 27,6 Milliarden Euro.

Die am Montag vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte gesundheitswirtschaftliche Gesamtrechnung bestätigt weitere Trends des Gesundheitswesens. Die Branche hat sich zum Jobmotor entwickelt - auch und gerade für Frauen und Teilzeitarbeiter.

So arbeiten in Krankenhäusern auf Grundlage der Daten von 2014 immer mehr Ärzte in Teilzeit. 2014 zählt die Krankenhausstatistik 55.600. Der Teilzeitanteil hat damit 21,3 Prozent erreicht gegenüber 12,3 Prozent im Jahr 2004.

Gesundheitsindustrie legt zu

Die Rechnung widerlegt die These, Deutschland verliere in der Gesundheitsindustrie an Boden. In der Herstellung von Arzneimitteln und Medizintechnikprodukten, dem Kernbereich der industriellen Gesundheitswirtschaft, legt die Branche seit 2004 um 4,7 Prozent im Jahr auf eine Wertschöpfung von 31,4 Milliarden Euro im Jahr 2015 zu.

Dazu kommt der Vertrieb und Großhandel, der 4,8 Prozent im Jahr gewonnen hat, und nun bei 13,9 Milliarden Euro liegt.

Die industrielle Gesundheitswirtschaft berücksichtigt auch Segmente außerhalb der unmittelbaren Beteiligung von Sozialkassen.

Dazu zählen die Herstellung von Körper-, Mund- und Zahnpflegeprodukten, Sport- und Fitnessgeräten sowie Informationstechnologie, nicht zuletzt die Konnektoren für den Ausbau der Einsätze der elektronischen Gesundheitskarte. Hier betrug die Wertschöpfung 2015 insgesamt 32 Milliarden Euro.

Das spiegelt sich auch im Export wider. Medikamente waren 2015 für knapp die Hälfte der Exporte der Gesundheitswirtschaft verantwortlich. Auch die Medizintechnik erfreut sich weltweit steigender Nachfrage.

Ausgereizt ist die Gesundheitswirtschaft nicht. Produktivitätspotenziale sieht das Ministerium in einer "intelligenten Vernetzung" zwischen den Akteuren des Gesundheitswesens, in der Anwendung von E-Health und der Digitalisierung der Verwaltung.

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