Vertragsärzte setzen Fuß in die Kliniktür

Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung beginnt ihre Geschichte als Dauerbaustelle. Über Jahre wird die Selbstverwaltung damit beschäftigt sein, die Spielregeln für den Sektor zu formulieren, in dem Vertragsärzte und Krankenhäuser auf Augenhöhe konkurrieren.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Der niedergelassene Hämatologe und internistische Onkologe Dr. Udo Hieber aus Mannheim in seiner Praxis.

Der niedergelassene Hämatologe und internistische Onkologe Dr. Udo Hieber aus Mannheim in seiner Praxis.

© Matthias Ernert

Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) ist ein Kernstück des Versorgungsstrukturgesetzes. Sie reißt die Grenzen zwischen ambulantem und stationärem Sektor an einigen streng definierten Abschnitten nieder.

"Wer kann, der darf", lautet die Losung für die Teilnahme. Spezialfachärztliche Leistungen sollen von niedergelassenen Ärzten wie auch von Krankenhäusern unter den gleichen Anforderungen an Qualität und Ausstattung erbracht werden.

Abgerechnet wird in Euro und Cent direkt mit den Krankenkassen. Los geht es frühestens 2013.

Schwere und seltene Erkrankungen

Der Leistungskatalog der ASV zählt vorläufig die im bisherigen Paragrafen 116b des Sozialgesetzbuches V aufgeführten Krankheiten auf. Es geht um schwere Verlaufsformen von Erkrankungen und seltene Erkrankungen.

Er reicht von HIV/Aids über Multiple Sklerose und Querschnittslähmung bis zu Tuberkulosen und Mukoviszidose. Schwerpunkt, so erwarten es die Praktiker, wird die Versorgung von an Krebs erkrankten Menschen sein.

Wer genau was dürfen können wird, ist mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar noch lange nicht klar. Dann beginnt lediglich die zwölfmonatige Frist, innerhalb derer der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) "das Nähere" zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung ausarbeiten soll.

Erst wenn diese Richtlinie steht, werden niedergelassene Ärzte wissen, ob sie die Anforderungen erfüllen und ob ihre Praxisausstattung den Anforderungen des "kleinen Gesetzgebers" zur Behandlung eines oder mehrerer Krankheitsbilder der spezialfachärztlichen Versorgung genügt.

Zukunft im Krankenhaus

Hausärzte sind von der neuen Versorgungsform nicht ausgeschlossen. "Wer kann, der der darf", gilt auch für sie.

KBV-Chef Dr. Andreas Köhler hat ein Bild davon, wie niedergelassene Ärzte an dem neuen Sektor teilhaben können. Er gehe davon aus, dass die Vertragsärzte in der Regel nicht ihre Praxen aufrüsten werden, um mitmachen zu können.

Er sieht die Zukunft eher im Krankenhaus. Erstmals werde es möglich, dass niedergelassene Ärzte in Krankenhäusern tätig werden könnten, ohne sich dafür in ein Abhängigkeitsverhältnis begeben zu müssen, sagte Köhler.

Die Zeitvorgaben an die Selbstverwaltung, den neuen Sektor zu organisieren, sind ambitioniert. Ob sie zu halten sind, daran zweifelt selbst die GBA-Spitze.

Unglaube beim GBA

So soll binnen zwölf Monaten unter anderem eine Vereinbarung entwickelt werden, wie sich die niedergelassenen Onkologen und ihre Kollegen im Krankenhaus zueinander verhalten sollen.

Der Gesetzgeber zwingt Vertragsärzte und die Krankenhausärzte an dieser Stelle in eine Kooperation. Zwei Gruppen, die sich als Konkurrenten verstehen, müssen sich arrangieren.

Gefragt, ob diese Kooperationsvereinbarung bis 2013 überhaupt fertig werden könne, antwortete der Unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschuss, Dr. Rainer Hess, in der letzten Ausschusssitzung vor Weihnachten: "Ich glaube das nicht, aber es ist die Vorgabe des Gesetzgebers."

Frühe Schrumpfkur für den dritten Sektor

Länder und Ärzte taten Einiges, um den neuen Sektor nicht ins Kraut schießen zu lassen.

Dass die Regierung einen dritten Sektor ins Gesundheitswesen eingezogen hat, schmeckt den Bundesländern nicht. Nur nolens volens haben sie sich damit abgefunden, dass niedergelassene Ärzte künftig in direkte Konkurrenz mit den Krankenhäusern treten sollen. Zuvor zogen sie alle Register, um den neuen Sektor klein zu halten. Dafür fanden sie Verbündete sogar bei den niedergelassenen Ärzten selbst.

Das Versorgungsstrukturgesetz war zwar nicht zustimmungspflichtig. Den ursprünglichen Entwurf hatten die Länder aber mit einem 16 zu 0 - Votum abgelehnt. Grund war die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV). Die Länder befürchteten, dass der neue Sektor sie teuer zu stehen kommen würde.

Zu dem Zeitpunkt war noch vorgesehen, das ambulante Operieren dem neuen Sektor zuzuschlagen. Mengenobergrenzen waren nicht eingeplant. Die Länder brachten dagegen vor, dass die Ärzte die Regelversorgung an dieser Stelle voraussichtlich in den neuen Sektor verlagern würden, um in den Verhandlungen mit den Kassen bessere Honorare herauszuschlagen.

Zumindest darin lagen die Länder auf einer Linie mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Deren Chef, Dr. Andreas Köhler, wollte die Fachärzte, die nicht an der spezialfachärztlichen Versorgung teilnehmen können, durch den neuen Sektor nicht geschwächt sehen.

Um die ASV auf schwere und seltene Krankheiten begrenzt zu halten, kündigte er beizeiten an, gemeinsam mit den Kassen im Gemeinsamen Bundesausschuss darauf zu achten, dass der neue Sektor nicht ausufere.

In einem direkten Zusammenhang damit steht ein weiterer Punkt, in dem sich die Interessen der Länder und der Selbstverwaltung begegnen, nämlich, dass die Vergütung im neuen Sektor nicht zu Lasten der haus- und fachärztlichen Grundversorgung gehen solle.

Blieb die Konkurrenz, die der Gesetzgeber den Krankenhäusern verordnet hat. Die wog dann doch nicht schwer genug, um das Versorgungsgesetz mit einem Veto im Bundesrat zu stoppen. Vielleicht auch deshalb, weil sich der Mangel an Ärzten im Krankenhaus mit der Unterstützung der Vertragsärzte an der einen oder anderen Stelle kaschieren lässt.

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