TV-Kritik

Frontreportage aus der grauen Krankenkassen-Welt

"Zweiklassenmedizin" steht am Anfang des Films, "Kasse gegen Privat" lautet sein Titel, Fernsehfrau Sandra Maischberger spricht gar von einem "Frontbericht" - da wird der Kontext deutlich, noch bevor die eigentliche Reportage beginnt.

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GKV-Patienten auf dem Abstellgleis?

GKV-Patienten auf dem Abstellgleis?

© Foto: mario beauregardwww.fotolia.de

Von Pete Smith

Wir befinden uns im Krieg, Kasse gegen Privat, Arm gegen Reich, schon kommt der Begriff "Sozialdarwinismus" ins Spiel, spätestens jetzt weiß jeder Zuschauer, dass es ums nackte Überleben geht. Der geht zugrunde, der sich die teure Medizin nicht leisten kann, und das sind viele …

Ohne Zweifel liefert ARD-Frontfrau Maischberger in ihrer Reportage "Kasse gegen Privat", die am Montagabend im Ersten zu sehen war, eine Fleißarbeit ab. Viele kommen zu Wort: Patienten, niedergelassene Mediziner, Krankenhausärzte, Krankenschwestern, Kassenvertreter, Ärztefunktionäre, Politiker, der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses - aber ist der Zuschauer am Ende wirklich schlauer?

Wir erfahren, dass es im deutschen Gesundheitswesen einen Kostendruck gibt. Eine Rationierung, die von Ärzten - von den Kassen forciert - gar heimlich an die Patienten weitergegeben wird. Dass Privatpatienten Leistungen erhalten, die Kassenpatienten verwehrt werden. Dass "Menschlichkeit nicht bezahlt wird", wie Sandra Maischberger betont. Hegt daran noch jemand Zweifel?

Der Zuschauer erfährt aber nicht, dass Privatpatienten keineswegs ausschließlich besser gestellt sind. Auch manche private Krankenversicherungen schauen mittlerweile auf die Kosten und genehmigen nicht mehr alle sinnvollen Untersuchungen oder Medikamente.

Der Zuschauer erfährt auch nicht, wie sich das System reformieren, wie es sich gerechter gestalten ließe, wie wir die Kosten in den Griff bekommen können, auch und gerade angesichts einer Entwicklung, in der die Bundesbürger immer älter und der medizinische Fortschritt immer größer werden.

Dafür streift sich Sandra Maischberger den grünen Op-Kittel über und solidarisiert sich mit den Patienten. Ins Detail geht sie nur dort, wo sie die These von der Zweiklassenmedizin, die eigentlich keines Beweises mehr bedürfte, durch Einzelschicksale belegen kann.

So erzählt ein Krebspatient, dass er allein deshalb lebt, weil er seine PET aus eigener Tasche bezahlt hat. An anderer Stelle sind es Arzneimittel oder eine offenbar unverzichtbare Vakuumtherapie, die von der GKV nicht bezahlt werden.

Ob es für die Verweigerung einer Leistung nachvollziehbare Gründe gibt, interessiert Maischberger nicht - jedenfalls hakt sie nicht nach. Vom Schützengraben des Kassenpatienten aus betrachtet, bleibt die Welt grau und blutig.

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