Pflege

Heimverträge verstoßen oft gegen das Gesetz

Verbraucherschützer nehmen zurzeit Verträge für Pflegeheimbewohner unter die Lupe. Was sie darin finden, hat manchmal mit geltendem Recht nichts zu tun.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Achtung Pflegeheim(-vertrag)! Verbraucherschützer stellen in vielen Vereinbarungen für Pflegeheimbewohner Rechtsverstöße fest.

Achtung Pflegeheim(-vertrag)! Verbraucherschützer stellen in vielen Vereinbarungen für Pflegeheimbewohner Rechtsverstöße fest.

© Klaus Eppele / fotolia.com

BERLIN. Der Weg ins Pflegeheim fällt niemals leicht. Manchmal wird er aber durch zusätzliche Hürden erschwert.

So sind viele Verträge für Pflegeheimbewohner voller Fallstricke. Davor warnt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).

Fehlerhafte Musterverträge

Gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) nimmt der Verband noch bis Ende Mai Heimbewohnerverträge unter die Lupe. Speziell geprüft wird, ob die Verträge den Anforderungen des 2009 geschaffenen Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) entsprechen.

Dabei haben die Juristen inzwischen mehr als 100 Verträge untersucht. Sie fanden selbst in Musterverträgen immer wieder Klauseln, die gegen die Bestimmungen des WBVG oder sonstiges Recht verstoßen oder trafen - besonders bei Residenzen oder Pflege-Wohngemeinschaften - auf Verträge, die das Gesetz einfach komplett ignorierten.

"Bei vielen neuen Wohnformen und Seniorenresidenzen besteht gar kein Bewusstsein, dass das vergleichsweise strenge WBVG anwendbar ist. Sie agieren teilweise immer noch stur nach Mietrecht", sagt vzbv-Referent und Projektleiter Heiko Dünkel.

Das hat der Verbraucherzentrale Bundesverband in einigen Fällen mit kollektivrechtlichen Abmahnungen unterbunden. In einem Fall muss jetzt das Landgericht Lübeck entscheiden.

Rechtsklarheit ist das Ziel

Mit vier weiteren Klagen versuchen die Verbraucherschützer, Rechtsklarheit zu schaffen. Einen ersten Erfolg hat der Bundesverband im Herbst vor dem Landgericht Berlin errungen.

Das Gericht bestätigte im Wesentlichen die Auffassung des vzbv, dass einseitige Entgelterhöhungen ohne die Zustimmung des Bewohners nicht erlaubt seien. Die beklagte Einrichtung hat inzwischen zwar Berufung beim Kammergericht eingelegt.

Doch das kommt dem Verbraucherzentrale Bundesverband entgegen, denn so kann er auf mehr Klarheit durch obergerichtliche Rechtsprechung hoffen.

"Denn leider hat der Gesetzgeber das Zustimmungserfordernis des Bewohners nicht so eindeutig formuliert", sagt Dünkel.

Interview mit Heiko Dünkel

Heiko Dünkel, Jurist und Projektleiter.

Heiko Dünkel, Jurist und Projektleiter.

© privat

Ärzte Zeitung: Herr Dünkel, was sind die häufigsten und gravierendsten Probleme in den Verträgen mit Heimbewohnern?

Heiko Dünkel: Probleme gibt es wie immer da, wo es ums liebe Geld geht, etwa bei Entgelterhöhungen und Zusatzleistungen. Da sollte der Verbraucher genau hingucken und seine Mitwirkungsrechte ernst nehmen. Die einseitige Erhöhung der Entgelte, wenn sich die Berechnungsgrundlage ändert, ist nach dem WBVG in vielen Fällen nicht mehr zulässig.

Das hat jetzt auch das Landgericht Berlin bestätigt. Daneben haben sich Investitionskostenpauschalen bei vielen Heimträgern inzwischen zur "zweiten Miete" ausgewachsen, ohne dass Bewohner immer genau wissen, was konkret damit bezahlt werden soll. Auch die sogenannten Schuldbeitritte sind aus unserer Sicht zweifelhaft.

Es ist höchst fraglich, ob man Angehörige oder rechtliche Betreuer verpflichten kann, mit ihrem Vermögen für Forderungen des Heimbetreibers an einen Bewohner zu haften.

Haben Bewohner und Angehörige überhaupt Verhandlungsspielraum?

Natürlich dürfen Verbraucher durchaus kritisch hinterfragen, wie Pauschalen für Investitionskosten und Zusatzleistungen zustandekommen. Auch kann man sich als Angehöriger weigern, eine Schuldbeitrittserklärung zu unterschreiben.

Der Spielraum mag indes gerade in ländlichen Regionen begrenzt sein, wo zum Teil lange Wartelisten auf einen Heimplatz bestehen. Ein Schutz bleibt, denn bei rechtswidrigen Klauseln, zum Beispiel zu nach WBVG gänzlich unzulässigen Schönheitsreparaturen, besteht auch nach einer Unterschrift keinerlei Verpflichtung.

Wo sehen sie politischen Handlungsbedarf?

An der einen oder anderen Stelle wäre sicher zu überlegen, ob man ans WBVG nochmals rangeht. Denkbar wäre etwa, für mehr Transparenz bei den nebulösen Investitionskostenpauschalen zu sorgen.

Mit unserem Projekt versuchen wir für eine bessere Vertragslandschaft zu sorgen und die Verbraucher für ihre jetzt schon bestehenden Rechte zu sensibilisieren. Erfahrungsgemäß entfalten unsere Prüfungen eine gewisse Breitenwirkung und veranlassen Betreiber, ihre Verträge entsprechend anpassen.

Das Interview führte Angela Mißlbeck

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