Verfassungsgericht

Pflegegeld darf geringer als Sachleistungen sein

Bundesverfassungsgericht verneint höheren Anspruch auf Pflegegeld für Angehörige.

Martin WortmannVon Martin Wortmann und Frank Leth Veröffentlicht:
Übernehmen Angehörige Pflegeaufgaben, muss ihnen nicht das gleiche Entgelt gezahlt werden wie professionellen Pflegekräften, entschieden die Bundesverfassungsrichter.

Übernehmen Angehörige Pflegeaufgaben, muss ihnen nicht das gleiche Entgelt gezahlt werden wie professionellen Pflegekräften, entschieden die Bundesverfassungsrichter.

© alephnull / fotolia. com

KARLSRUHE. Das für die Angehörigenpflege gezahlte Pflegegeld darf deutlich geringer sein, als die von der Pflegekasse bezahlten Pflegesachleistungen. Das verstößt nicht gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitssatz und den Schutz von Ehe und Familie, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Nach den gesetzlichen Bestimmungen können Pflegebedürftige von der Pflegekasse ein monatliches Pflegegeld erhalten und damit ihre Pflege selbst organisieren. Die Pflege kann dann von Familienangehörigen, ehrenamtlichen Pflegehilfen oder frei ausgesuchten Pflegekräften durchgeführt werden.

Angehörige sahen Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz

Alternativ können Pflegebedürftige von der Pflegekasse Pflegesachleistungen beanspruchen. In diesem Fall sichert ein externer ambulanter Pflegedienst die häusliche Pflege. Die Pflegekasse ist dabei vertraglich mit dem Pflegedienst oder einzelnen Pflegekräften verbunden. Die Bezahlung des Pflegedienstes ist deutlich höher, als das Pflegegeld, das Angehörigen für ihre Pflege erhalten.

Im jetzt entschiedenen Fall hatten Ehefrau und Tochter einen Mann beziehungsweise Vater bis zu seinem Tod am 1. März 2008 zu Hause gepflegt.

Die private Pflegeversicherung des Mannes zahlte damals entsprechend der Pflegestufe III für selbst beschaffte Pflegehilfen monatlich 665 Euro Pflegegeld (seit 2012 700 Euro). Für die Pflege durch einen Pflegedienst hätte die Pflegekasse dagegen bis zu 1.432 Euro monatlich gezahlt (seit 2012 bis zu 1.550 Euro).

Die zwei Beschwerdeführerinnen wollten für die Pflege jedoch genauso viel erhalten, wie die Pflegekasse für einen Pflegedienst bezahlt hätte. Die ungleiche Bezahlung verstoße gegen den Gleichheitssatz und gegen den Schutz von Ehe und Familie.

Sozialpolitische Gestaltungsfreiheit

Das Bundesverfassungsgericht hielt die unterschiedliche Höhe der Leistungen jedoch für verfassungsgemäß. Pflegebedürftige könnten selbst wählen, ob sie die häusliche Pflege durch einen Pflegedienst oder durch selbst ausgewählte Pflegepersonen organisieren. Die Pflege durch einen Pflegedienst setzte eine "ordnungsgemäße Vergütung der Pflegekräfte" voraus.

Das Pflegegeld bei der Angehörigenpflege sei dagegen kein Entgelt, sondern nur eine Anerkennung und unterstützende Leistung. Dahinter stehe der Gedanke, dass familiäre, nachbarschaftliche oder ehrenamtliche Pflege grundsätzlich ohne finanzielle Gegenleistung erbracht wird. Der Gesetzgeber habe hier zu Recht eine "gegenseitige Beistandspflicht" von Familienangehörigen unterstellt.

Es gehöre daher zur "sozialpolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers", das Pflegegeld geringer zu bemessen als die Sachleistungen, entschied das Bundesverfassungsgericht. Der Staat habe nicht die Pflicht, beide Pflegeformen gleich zu fördern.

Er könne den "familiären Zusammenhalt" auch dadurch fördern, "dass er den Pflegebedürftigen die Wahl zwischen den verschiedenen Formen der Pflege lässt und wegen der besonderen Pflichtenbindung von Familienangehörigen das Pflegegeld lediglich als materielle Anerkennung vorsieht", so die Karlsruher Richter.

Az.: 1 BvR 1133/12

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Angehörige sind keine Profi-Pflegekräfte

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