Personalmangel

Krankenhäusern gehen die Intensivpflegekräfte aus

Auf deutschen Intensivstationen fehlen mehr als 3000 Spezialpflegekräfte. Die Krankenhäuser wollen reagieren. Das Personal denkt über einen Großstreik nach.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Personalmangel auf den Intensivstationen deutscher Kliniken.

Personalmangel auf den Intensivstationen deutscher Kliniken.

© obs / BVMed Bundesverband Medizintechnik / picture-alliance

BERLIN. Die Intensivmedizin schafft es seit Jahren nicht mehr, ausreichend Vakanzen zu füllen. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der knapp 1200 Krankenhäuser mit Intensivstationen meldete im Herbst 2016 Probleme, freie Pflegestellen zu besetzen. Die Diagnose: Derzeit fehlen 3150 Pflegefachkräfte an den Intensivbetten, sechs Prozent der vorgesehenen Vollkraftstellen.Damit hat sich die Personallücke seit 2011 fast verdreifacht. Die vorgegebene Fachkraftquote von 30 Prozent erreichen nur drei Viertel der Intensivstationen. Das geht aus einer Untersuchung des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft hervor, an der sich rund ein Viertel der Krankenhäuser mit Intensivstationen beteiligte.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft will nun reagieren. Im Herbst soll bundesweit eine Rekrutierungs- und Imageinitiative pro Pflegeausbildung starten, kündigte DKG-Präsident Thomas Reumann bei der Vorstellung des Gutachtens am Dienstag in Berlin an. Nicht nur auf Intensivstationen fehle Personal, insgesamt seien rund 10.000 Pflegestellen in den 1956 Krankenhäusern vakant, weitere in den Rehaeinrichtungen und in der Altenpflege.

Die Aktion der DKG erfolgt zu einem Zeitpunkt, zu dem in den Belegschaften der Krankenhäuser in Deutschland über einen konzertierten Großstreik nachgedacht wird. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi geht von bis zu 70.000 fehlenden Stellen aus. Personalmangel und Überlastung seien die Hauptgründe für Unzufriedenheit unter den Pflegekräften.

Reumann forderte die Politik auf, Tariflöhne ausreichend gegenzufinanzieren. Derzeit führen die Krankenhäuser ein Defizit von 1,1 Milliarden Euro im Jahr alleine aufgrund nicht ausgeglichener Personalkosten ein. Die Länder blieben weiterhin mehr als drei Milliarden Euro im Jahr an nicht überwiesenen Investitionskosten für Bauten und die Anschaffung von Großgeräten schuldig.

DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum kritisierte die vom GBA vorgegebenen Personalschlüssel für hochkomplexe Betreuungssituationen auf Intensivstationen. "Normsetzung und Realität klaffen auseinender", sagte Baum. Eine Prüfung, ob sich die Quoten überhaupt erfüllen ließen, erfolge grundsätzlich erst im Nachhinein. "Wir warnen vor weiterer Normsetzung", sagte Baum. Derzeit bereitet die Politik die Einführung von Personaluntergrenzen zum 1. Januar 2019 vor. Bereits für 2017 vorgesehene Personalschlüssel zum Beispiel für die Frühchenbetreuung sind durch Übergangsregelungen verwässert worden.

Trotz Unterfinanzierung und Personalmangel gelingt es den Krankenhäusern die Vorgaben der Deutsche interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) an die Personalausstattung zumindest annähernd zu erfüllen. Höchstens zwei Intensivpatienten soll demnach eine Pflegevollkraft pro Schicht betreuen. Tatsächlich sind es 2,2, hat das Gutachten festgestellt. Insgesamt listet es auf der Basis von Zahlen aus 2015 rund 26.600 Intensivbetten in Deutschland auf, bei gut 2,1 Millionen betreuten Intensivpatienten. Um sie kümmerten sich rund 25.000 Intensivfachkräfte und noch einmal so viele ohne Spezialkenntnisse.

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