Ernährung

Arbeitsstress wird zum Gegner der Prävention

Gemüse statt Currywurst: Eine aktuelle Ernährungsstudie der Techniker Kasse sieht positive Zeichen für eine neue Lust auf gesunde Ernährung. Doch im Alltag lauern oft Hürden. Die Folge: Ernährungsbedingte Krankheiten nehmen weiter zu.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Gesunde Ernährung fällt vielen im Arbeitsalltag schwer.

Gesunde Ernährung fällt vielen im Arbeitsalltag schwer.

© Drobot Dean / Fotolia.com

BERLIN. Stress und Zeitmangel am Arbeitsplatz verführen zu ungesunder Ernährung. Das geht aus der aktualisierten Ernährungsstudie 2017 der Techniker Krankenkasse hervor. Ein Drittel der befragten männlichen und gut ein Fünftel der weiblichen Arbeitnehmer gab an, bei der Arbeit nicht dazu zu kommen, sich gesund zu ernähren. Ein Viertel der 1200 befragten Berufstätigen unterbricht die Arbeit für die Nahrungsaufnahme erst gar nicht. Rund ein Sechstel isst ausweislich der Studie nebenbei oft Schokoriegel und andere Süßigkeiten.

Dabei schlägt gesundes Essen in der Umfrage inzwischen das vor allem unter Männern als lecker geltende Fast Food von Burger bis Currywurst. Waren es in der Befragung 2013 noch 35 Prozent, die gesund für wichtiger als lecker hielten, sind es aktuell bereits 45 Prozent. Das wachsende Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit hebt soziale Unterschiede nicht auf.

75 Prozent fühlen sich ausreichend informiert darüber, was gesundes Essen ausmacht. Aber: Fast jedem Dritten fehlt es nach eigener Einschätzung an ausreichend Geld, um sich besser zu ernähren. Gleichzeitig konstatiert eine zu Jahresbeginn veröffentlichte Studie des Bundeslandwirtschaftsministeriums wie berichtet einen anhaltenden Trend zur schnellen Küche und zu Fertigprodukten.

Trotz Aufklärung nimmt Adipositas weiterhin zu

Ernährungsbedingte Krankheiten wie Adipositas und Stoffwechselstörungen nähmen trotz aller Aufklärung weiter zu, sagte TK-Chef Dr. Jens Baas bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Berlin. "Auch die TK verzeichnet bei Erwerbspersonen in den vergangenen 15 Jahren einen Anstieg verordneter Herz-Kreislauf-Medikamente von über 80 Prozent", sagte Baas. Verbraucher hätten einen Anspruch auf lobbyunabhängige Informationen über Herkunft und Zusammensetzung ihrer Nahrungsmittel. Hier seien Politik, Bildungsträger und Lebensmittelindustrie gefragt.

Dass Chips und Cola gesundheitlich relevant sind, berichtete Professor Annegret Flothow von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Nach der KIGGS-Studie des Robert Koch-Instituts sind 15 Prozent der Kinder und Jugendlicher übergewichtig, weitere sechs Prozent adipös. Tendenz stark steigend. Bis in Kitas und Schulkantinen gesunde Verhältnisse eingezogen seien, sei es ein weiter Weg.

Ob ein Unterrichtsfach Ernährung diesen Prozess beschleunigen könnte, darüber herrschen Zweifel. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) war im Zuge seiner Studie mit einem solchen Vorschlag an die Öffentlichkeit gegangen. Bildung als Mittel gegen Fehlernährung werde massiv überschätzt, sagte jedoch Oliver Huizinga von der Verbraucherschutzorganisation "foodwatch" am Mittwoch in Berlin. Grund für Fehlernährung seien erschwerte Wahlmöglichkeiten beim Einkauf, zum Beispiel aufgrund mangelhafter Produktinformationen.

Er verwies auf die Einschätzung des Kompetenznetzes Adipositas, dass Verhaltensprävention die Prävalenz der Fettleibigkeit um lediglich ein Prozent und das überwiegend in sozial höheren Schichten senken helfen könne.

Die 17 in der Allianz Nichtübertragbare Krankheiten zusammenarbeitenden medizinisch wissenschaftlichen Fachgesellschaften bezeichnen die Verhaltensprävention in ihrem Grundsatzpapier sogar als gescheitert.

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