Ärzte dürfen hoffen

Krebsregister könnten für Entlastung sorgen

Noch sind klinische Krebsregister nicht flächendeckend im Einsatz. Aber es tut sich etwas: Ende des Jahres sollen die Förderkriterien dafür feststehen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Klinische Krebsregister gelten als eine wichtige Ressource, um die Qualität der Krebsversorgung zu verbessern.

Klinische Krebsregister gelten als eine wichtige Ressource, um die Qualität der Krebsversorgung zu verbessern.

© wragg/iStockphoto.com

BERLIN. Krebs ist Alltag. Etwa vier Millionen Menschen mit einem diagnostizierten Krebsleiden leben derzeit in Deutschland, schätzt die Deutsche Krebsgesellschaft. Das sind rund fünf Prozent der Bevölkerung.

"Wir wissen, dass die demografischen Zahlen bislang unterschätzt worden sind," sagt Professor Wolff Schmiegel, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft.

Etwa 490.000 Krebsneuerkrankungen im Jahr würden derzeit diagnostiziert. Im Jahr 2020 könnten es bereits 600.000 im Jahr sein.

Im April 2013 hat die schwarz-gelbe Koalition das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG) verabschiedet.

Klinische Krebsregister gelten als eine wichtige Ressource, um die Qualität der Krebsversorgung zu verbessern.

Derzeit arbeiten die Länder am flächendeckenden Aufbau der Krebsregister. In den neuen Ländern und in Bayern gibt es bereits solche Register. Sie erfassen die Daten jeweils mehrerer Landkreise.

Ärzte melden die Daten

Geplant ist, die Daten wohnortbezogen zu erfassen. Niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser sollen alle Behandlungsschritte eines Krebsfalls an das für sie zuständige Register melden.

Für die Deutsche Krebsgesellschaft und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren liegen die Vorteile auf der Hand: "Die ausgewerteten Daten können an die Ärzte vor Ort zurückgemeldet werden", heißt es in einer Mitteilung anlässlich des Kongresses "Quality of cancer care" im November in Berlin.

Ein ganz praktischer Vorteil der Register könnte in einer Entlastung der Ärzte bei der Dokumentation liegen. Die Dokumentation werde zunehmend auf die Register übergehen, schätzen Fachleute.

Grund: Dort sollen unter anderen die Befunde vom Pathologen, vom Strahlentherapeuten, vom behandelnden Chirurgen und vom nachsorgenden Arzt zusammenlaufen.

Ein Ziel der Forschung mittels Krebsregistern ist es, bevölkerungsbezogene Daten mit der klinischen Forschung zusammenzubringen.

"Die Patientenkohorten in klinischen Studien entsprechen nicht notwendigerweise der Patientenpopulation, mit denen sich Ärzte im Versorgungsalltag konfrontiert sehen", erläutert Professor Achim Wöckel, geschäftsführender Oberarzt an der Universitätsfrauenklinik Ulm.

Nutzbringende Daten

Es gibt schon heute praktische Beispiele für den nutzbringenden Einsatz von Registerdaten.

So habe die Deutsche Lymphomgruppe 2004 aus den Ergebnissen einer randomisierten Studie die Erkenntnis gewonnen, dass die zusätzliche Antikörpertherapie mit Rituximab den Behandelten einen beträchtlichen Überlebensvorteil beschere, berichtet die Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren, Dr. Monika Schalke-Klinkhammer.

Die Studie sei jedoch mit einem Studienkollektiv durchgeführt worden, dass alte und multimorbide Patienten ausgeschlossen habe.

Die Arbeitsgemeinschaft habe deshalb die Effizienz des Mittels in den bevölkerungsbezogenen Daten überprüft und festgestellt, dass Rituximab allen Patienten Überlebensvorteile sichere.

Grundlage für die Steuerung der Versorgung

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Die Register sollen auch die Leitlinienarbeit unterstützen. Positives Beispiel dafür ist die operative Therapie der Lebermetastasierung bei Darmkrebs.

Die aktuelle Leitlinie empfehle, dass die Metastasen bei diesen Patienten entfernt werden sollten, berichtet Klinkhammer-Schalke. Dies habe sich durch eine Analyse der vorhandenen Registerdaten bestätigen lassen. Mittlerweile werde die Leitlinie zu 70 Prozent umgesetzt.

Die Daten aus den klinischen Krebsregistern sollen künftig Grundlage für die politische Steuerung der Krebsversorgung sein. Die hat der Gemeinsame Bundesausschuss in der Hand, der bei den Ländern anonymisierte Daten zu bestimmten Themen abfragen können soll.

Die Länder sind aufgefordert zu regeln, wie die Daten für Forschungszwecke genutzt werden können.

"Klinische Krebsregister stellen einen wertvollen neuen Ansatz als Handwerkszeug in der Krebsversorgung dar," sagt Dr. Johannes Bruns, Geschäftsführer der Deutschen Krebsgesellschaft. Es sei wichtig, dass sie neutral blieben und dass die Datenerhebung und -auswertung nicht von Partikularinteressen geleitet werde.

Noch sind nicht alle Details des Datenschutzes für die Arbeit mit den Registern geklärt. Zum Beispiel, ob Ärzte den Verlauf einer Behandlung und damit auch die Arbeit des Vorbehandlers werden einsehen dürfen.

Bis Ende 2013 muss der GKV-Spitzenverband die Förderkriterien festlegen, die die Register bis spätestens zum 1. Januar 2018 erfüllen sollen, um finanziert zu werden.

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