Pionierarbeit

Ärztenetz trägt ein MVZ

Ein Ärztenetz gründet ein Medizinisches Versorgungszentrum: Das ist rein rechtlich eigentlich nicht möglich. Mit einem Kniff hat das Ärztenetz Südbrandenburg dennoch seine Idee verwirklicht. Flexible Arbeitsmodelle sollen den Nachwuchs nun in die Region locken.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Das Ärztehaus Süd - hier ist das erste MVZ in Trägerschaft eines Ärztenetzes untergebracht.

Das Ärztehaus Süd - hier ist das erste MVZ in Trägerschaft eines Ärztenetzes untergebracht.

© ANSB

FINSTERWALDE. Medizinisches Versorgungszentrum oder Niederlassung? Was in den Köpfen vieler Funktionäre als unauflösbarer Widerspruch gilt, will das Ärztenetz Südbrandenburg ANSB zur Deckung bringen.

"Ein MVZ mit angestellten Ärzten in Trägerschaft eines Ärztenetzes, das den Erhalt der Freiberuflichkeit zum Ziel hat", so beschreibt ANSB-Geschäftsführer Carsten Jäger das Konzept.

Dahinter steht die Überlegung, dass sich junge Ärzte leichter für eine Angestelltentätigkeit im MVZ als für die Übernahme einer Landarztpraxis gewinnen lassen.

"Das Ärztenetz Südbrandenburg will mit seinem MVZ Alternativen für den medizinischen Nachwuchs anbieten und durch Teilzeitstellen, flexible Arbeitszeitmodelle und Entlastung von Verwaltungsaufgaben Ärzte in die Region holen", sagt Jäger.

Er begrüßt, dass das Versorgungsstrukturgesetz die Möglichkeit geschaffen hat, eine Zulassung aus einem MVZ mit in die Niederlassung zu nehmen.

"Diese Konstellation bietet quasi die Möglichkeit einer wirtschaftlich risikofreien Art von Probezeit in der Region mit der Option der späteren Niederlassung", so der ANSB-Geschäftsführer.

MVZ soll niedergelassene Ärzte entlasten

Der Süden Brandenburgs zählt zu den Regionen mit dünner ärztlicher Versorgung. Allein bei den Hausärzten im Landkreis Elbe-Elster sind zurzeit zehn freie Zulassungen zu besetzen. "Die Arbeitsbelastung für die übrigen Kollegen ist entsprechend hoch", sagt Jäger. Das MVZ soll daher auch Entlastung für die Niedergelassenen in der Region bieten.

Mitte Juli ist der offizielle Startschuss für das ANSB med Zentrum im traditionsreichen Ärztehaus Süd in Finsterwalde gefallen. Vorausgegangen waren 13 Monate Planung und Vorbereitung. Dabei mussten erst einige bürokratische Hürden genommen werden.

Rein rechtlich kann ein Ärztenetz kein MVZ gründen. Daher hat die Gemeinschaft der niedergelassenen Ärzte des ANSB das MVZ als Schwestergesellschaft zum Netz gegründet.

Die 64-jährige Hausärztin, die in diesem Zusammenhang im MVZ angestellt wurde, musste aus dem Netz austreten, damit alles formaljuristisch korrekt geregelt werden konnte.

Das MVZ des ANSB fängt klein an. Neben der Hausärztin, für die bereits ein Nachfolger gesucht wird, ist ein 59-jähriger Gynäkologe angestellt. Geschäftsführung und Projektleitung des MVZ liegen in der Hand von Andreas Bernhardt, der zuvor für das MVZ Lauchhammer tätig war.

Zum Team gehören insgesamt sechs Schwestern, die sich vier Vollzeitstellen teilen. Sie wurden aus den Praxen der beiden Ärzte im Ärztehaus Süd übernommen. Die Praxisräume werden nun umgebaut. Unter anderem werden Funktionsdiagnostik und Sterilisation zusammengefasst.

Das Ärztehaus ist aus einer DDR-Poliklinik hervorgegangen. Die Praxen sind Eigentum der Ärzte, Apotheker und weiterer Gesundheitsanbieter im Haus. Das Netz-MVZ hat die Räume von den Ärzten gemietet. Weitere Praxen stehen leer, zum Beispiel eine Kinderarztpraxis, für die sich bisher kein Nachfolger gefunden hat.

Das bietet Raum zur Erweiterung. Die ist auch angestrebt. "Mit zwei Ärzten ist so eine Struktur nicht wirtschaftlich darstellbar", sagt Jäger.

Das Netz-MVZ sucht noch junge Ärzte

Das MVZ müsse keine Gewinne erwirtschaften, "aber eine schwarze Null soll es schon schreiben", so Jäger über die wirtschaftlichen Ziele.

Zunächst werden junge Ärzte für den Standort in Finsterwalde gesucht. Dabei konkurriert das Netz-MVZ aber mit dem Klinikum Elbe-Elster, das ebenfalls ein MVZ eröffnen will.

Finden sich genug junge Ärzte für das ANSB-MVZ, dann ist perspektivisch auch angedacht, dass Praxen in der ländlichen Umgebung vom MVZ übernommen werden könnten, wenn sie keinen Nachfolger finden.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ausgeklügelte Strategie

Mehr zum Thema

Landessozialgericht München

Urteil: Abrechnungsausschlüsse gelten auch arztbezogen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen