Flüchtlinge anstellen

Hürden für Ärzte und Kliniken

Um qualifizierten Flüchtlingen in Deutschland rasch eine Tätigkeit als Arzt zu ermöglichen, bedarf es eines Schulterschlusses von Politik und Kliniken, findet ein auf Chefärzte spezialisierter Personalberater.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Jede Menge Hürden und Hindernisse lauern auf geflüchtete Ärzte, wenn sie in Deutschland arbeiten wollen.

Jede Menge Hürden und Hindernisse lauern auf geflüchtete Ärzte, wenn sie in Deutschland arbeiten wollen.

© cxvalentina / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Vertreter aus Politik und Gesundheitswirtschaft setzen derzeit viel Hoffnung darauf, dem Fachkräftemangel in Kliniken und Pflegeeinrichtungen durch entsprechend qualifizierte Flüchtlinge zu begegnen.

Als Haupthindernis entpuppt sich allerdings für die meisten betroffenen Flüchtlinge der Nachweis der beruflichen Qualifikation, da im Falle von Ärzten zum Beispiel die Approbationsurkunde auf der Flucht abhanden gekommen ist und/oder sie nicht mehr ohne Weiteres zu beschaffen ist.

Diese Urkunde wiederum ist aber der Schlüssel zur Anerkennung der beruflichen Qualifikation und damit der Erlaubnis, in Deutschland uneingeschränkt als Arzt tätig zu werden.

Kleines Curriculum als Abhilfe?

Der auf die internationale Rekrutierung von Chefärzten und Klinikmanagern spezialisierte Personalberater Patrick Haberland verweist auf große Unikliniken wie die Berliner Charité oder die Medizinische Hochschule Hannover.

"Diese Unikliniken sind die Zusammenarbeit mit Gastärzten aus aller Welt gewohnt. Sie können sehr schnell die fachliche Expertise von Medizinern beurteilen und auch deren ärztliche Fähigkeiten", äußert sich Haberland, Partner bei DHR International Neumann Deutschland, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Haberland verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass es im geregelten Alltag der Rekrutierung von Ärzten aus dem Ausland in seltenen Fällen zu Situationen kommt, in denen Approbationsurkunden zwar echt waren, aber auf eine andere Person ausgestellt, oder Dokumente schlichtweg gefälscht waren, und der Schwindel erst durch eine eingehende Überprüfung aufgefallen ist.

Er geht sogar noch einen Schritt weiter und regt an, dass sich ebenjene Kliniken zusammentun und eine Art kleines Curriculum entwickeln, das anerkannten, berufsqualifizierten Flüchtlingen eine Orientierung gibt, welche Anforderungen die Patientenversorgung in Deutschland an Ärzte in Kliniken stellt.

Auch regt Haberland an, auf die Expertise der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit (BA) zurückzugreifen. Die ZAV dient ausländischen Ärzten mit Interesse an einer Tätigkeit in Deutschland als Anlaufstelle. Auf ihrer Website Make it in Germany geht sie aktuell von einem Bedarf von 5000 Fachärzten in Deutschland aus.

Kliniken benötigen langen Atem

Sollten einzelne Kliniken sich dafür entscheiden, berufsqualifizierte Flüchtlinge als Ärzte anzustellen, so müssen sie einen langen Atem haben und auch Geld in die Hand nehmen, prognostiziert Haberland.

Da die Flüchtlinge meist über keine nennenswerten Finanzmittel verfügten, müssten die potenziellen Arbeitgeber für die Anerkennungskosten der Berufsqualifikation sowie Sprachkurse etc. aufkommen.

Aber auch nach der erfolgreichen Einstellung eines Flüchtlings/ausländischen Mediziners als Klinikarzt ist der Arbeitgeber nach Haberlands Erfahrung nicht aus dem Schneider.

Er verweist auf verschiedene Kliniken, die für eine Übergangszeit jedem aus dem Ausland rekrutierten Arzt einen im deutschen Klinikalltag erfahrenen Kollegen sowie notfalls einen Dolmetscher zur Seite gestellt haben. All das verursache natürlich Zusatzkosten, so der Personalberater.

Für Haberland ist die Integration ausländischer Ärzte in den deutschen Klinikmarkt inzwischen Routine.

Erst vor Kurzem hat er in seiner Studie "Gewinnung und Integration internationaler Fachkräfte - Treiber und Hindernisse" unter anderem analysiert, welche Erwartungen medizinische Fachkräfte aus dem Ausland an eine Arzttätigkeit in Deutschland haben und auf welche Hürden sie hier im Klinikalltag dann treffen. Befragt wurde knapp 1000 Bewerber auf Jobmessen in Griechenland, Spanien, Portugal, Rumänien, Bulgarien und Kroatien.

Einen Vorteil sieht Haberland vor dem Hintergrund der im Rahmen seiner Studie gewonnenen Erkenntnisse: Bei Flüchtlingen gehe es nicht mehr um die Motivation, das eigene Land zu verlassen, sondern nur noch um die Integration in den Arbeitsmarkt.

Ähnliche Schwierigkeiten erwartet Haberland bei der Integration von Flüchtlingen in den übrigen Gesundheitsmarkt, wie in die Pflege.

Das liege daran, dass sich die Ausbildung und das Aufgabenfeld für examinierte Pflegekräfte im Ausland in aller Regel anders gestalten. Leichter sei es sicherlich, Flüchtlinge in den tertiären pflegenahen Bereich zu integrieren.

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