Patienten wollen lieber wohnortnahe MVZ

Große Versorgungszentren stoßen bei Patienten auf wenig Gegenliebe, meint Michael Ehlebracht. Also gründet der gelernte Arzt kleine, wohnortnahe MVZ.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

Der gelernte Arzt Michael Ehlebracht ist seit zehn Jahren mit der Beratungsfirma DMI Systems im Gesundheitsmarkt aktiv.

"Entscheidend ist die Bindung zu den Menschen", sagt Michael Ehlebracht über das Verhältnis zwischen Arzt und Patient. In großen Versorgungszentren kann er diese Bindung nicht erkennen. Das liegt zum einen daran, dass Patienten ein enges Vertrauensverhältnis zu "ihrem Arzt" aufbauen und nicht von ständig wechselnden Behandlern untersucht werden wollen. Aber auch daran, dass große Versorgungszentren nicht in jedem Wohnviertel präsent sein können - die wohnortnahe Versorgung aber ist nach seiner Ansicht ein Schlüssel zum Erfolg in der ambulanten Behandlung.

"Wer fährt von Hamburg-Harburg in ein MVZ in der City - niemand", sagt Ehlebracht. Deshalb setzt der Mediziner, der seit zehn Jahren mit der Beratungsfirma DMI Systems im Markt aktiv ist und seit Kurzem eine eigene MVZ-Kette unter dem Namen Maxcura aufbaut, auf kleine Zentren mit wenigen Arztsitzen.

MVZ-Kette ermöglicht gemeinsamen Einkauf

Ziel ist eine wohnortnahe Behandlung mit Ärzten, zu denen der Patient wie in Praxen eine persönliche Beziehung aufbaut. Dazu will er nicht zentralisieren, sondern in Stadtteilen wie Wilhelmsburg, Farmsen oder Harburg Flagge zeigen. Zugleich sollen seine MVZ Vorteile wie den gemeinsamen Einkauf, einheitliche EDV und zentrales Marketing nutzen. Den angestellten Ärzten werden arztfremde Tätigkeiten abgenommen, aus der wirtschaftlichen Verantwortung aber werden sie - entsprechendes Interesse vorausgesetzt - nicht entlassen. "Ich biete jedem Angestellten die Chance auf eine Beteiligung, ich erwarte das sogar", sagt Ehlebracht. Die angestellten Ärzte können also gegen eine entsprechende Einlage am Gewinn des Unternehmens partizipieren.

Bislang hat Ehlebracht allerdings erst zwei Standorte in Hamburg, für die er insgesamt vier kassenärztliche Zulassungen erworben hat. Neben Gynäkologen und Hausärzten sind an den Standorten auch Physiotherapeuten tätig. Ehlebracht bemüht sich um weitere Zulassungen, Ärzte und Standorte - stößt dabei aber auf starke Konkurrenz.

Insbesondere große Klinikkonzerne sind in Hamburg an Kassenzulassungen interessiert und treiben nach seinen Erfahrungen die Preise nach oben - oft ohne einen entsprechenden Gegenwert zu erhalten. Ob Ehlebracht in eine Verkaufsrunde einsteigt, macht er von der Konkurrenz abhängig. Bei manchen Mitbewerbern winkt er inzwischen schon vor dem ersten Angebot ab. Nach seinen Erfahrungen reichen für eine hausärztliche Kassenzulassung mit 1000 Scheinen im Quartal 50 000 Euro als Preis oft nicht mehr aus. Für manche Facharztzulassung wird nach seinen Angaben in Hamburg ein Vielfaches gezahlt. So wurde jüngst eine orthopädische Zulassung für rund 270 000 Euro verkauft. "Arztsitze werden in Hamburg zu völlig unrealistischen Preisen verkauft", sagt Ehlebracht.

Klinikkonzernen sind Zulassungen diese Preise wert, weil sie nicht nur Einnahmen aus der ambulanten Behandlung generieren, sondern auch die Einweisungen in die eigenen Häuser garantieren - die Kliniken versprechen sich von den Zulassungen also einen Mehrwert, der sich niederlassungswilligen Ärzten oder anderen Interessenten nicht bietet. Ehlebracht ist trotzdem optimistisch, mit Maxcura expandieren zu können. "Es gibt Ärzte, die nicht an Klinikkonzerne verkaufen wollen und denen nicht egal ist, was aus ihrer Praxis und ihren Patienten wird", hat er bei seinen Aktivitäten beobachtet.

Mehrzahl der abgebenden Ärzte ist noch skeptisch

Sein Konzept mit kleinen MVZ und in der Umgebung angesiedelten weiteren Anbietern, die zusammen ein Versorgungscluster bilden, stößt bei manchen abgabewilligen Ärzten auf Gegenliebe. Dafür aber muss Ehlebracht viel Überzeugungsarbeit leisten. Auf eine erworbene Zulassung kommen bei ihm fünf erfolglose Verhandlungen, in denen schließlich doch finanzstarke Konzerne den Zuschlag erhalten.

Künftig erwartet er, dass die Zahl der Einzelpraxen deutlich zurückgehen wird. "Den Einzelkämpfer im dritten Stock ohne Fahrstuhl wird es nicht mehr geben", sagt Ehlebracht. Denn auch von kleineren Praxen erwarten Patienten künftig mehr Kooperation, besseren Service und kurze Wartezeiten: "Wer das nicht bietet, wird mittelfristig nicht mehr am Markt sein", glaubt Ehlebracht.

Grund, sich in der ambulanten Versorgung gegenüber den Klinikkonzernen im Nachteil zu fühlen, haben niedergelassene Ärzte nach seiner Ansicht aber nicht: "Einweisende Ärzte haben ein unglaubliches Machtpotenzial - sie nutzen es nur nicht immer."

Maxcura - eine MVZ-Kette

Unter dem Namen Maxcura baut der gelernte Arzt Michael Ehlebracht in Hamburg eine MVZ-Kette auf. Das Konzept sieht kleine Zentren mit wenigen Ärzten und ergänzenden Angeboten wie Physiotherapie vor. Damit will Ehlebracht die Lücke schließen, die große MVZ nicht füllen können: eine Versorgung in den Stadtteilen, ohne längere Fahrtzeiten für die Patienten. Maxcura ist - neben der Beratung von Akteuren im Gesundheitswesen und der Begutachtung und Kontrolle von Abrechnungen - ein drittes Standbein von Ehlebrachts Firma DMI Systems. Die kleine MVZ-Kette erwirtschaftet derzeit rund ein Fünftel des Umsatzes des Unternehmens. (di)

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