Hoffnung auf gerechtere Bezahlung

Die KVen dürfen sich über das große Interesse an den Hausarztverträgen nicht wundern, meint Dr. Jörg Ellerbrock aus dem westfälischen Waltrop. Die aktuelle Honorarsituation lässt vielen Hausärzten nach seiner Einschätzung kaum eine andere Wahl.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:

KÖLN. Allgemeinmediziner Ellerbrock betreibt eine relativ große Praxis mit rund 1600 Scheinen im Quartal. Damit liegt er deutlich über dem durchschnittlichen Hausarzt in der KV Westfalen-Lippe, der auf 980 Scheine kommt. Unter Ellerbrocks Patienten sind mehr als 600 Rentner, er betreut regelmäßig 60 Bewohner von Pflegeheimen und kommt auf 300 bis 350 Hausbesuche im Quartal.

Diese Versorgungsleistung spiegelt sich in der Honorierung nicht wider, beklagt der Hausarzt. "Um annähernd gerecht für meine Arbeit honoriert zu werden, kann es für mich nur über Hausarztverträge gehen, insbesondere auch im Vergleich zu den Kollegen in anderen Bundesländern", sagt Ellerbrock der "Ärzte Zeitung".

Im ersten Quartal 2009 ist sein KV-Honorar mit knapp 60 000 Euro um 8,28 Prozent niedriger ausgefallen als ein Jahr zuvor, obwohl die Zahl der Patienten um fast 100 gestiegen ist. Das Regelleistungsvolumen (RLV) in Höhe von 52 140,71 Euro sei mit den Versichertenpauschalen für Mitglieder und Vertretungsfälle fast vollständig ausgeschöpft, sagt Ellerbrock. "Es bleibt nur noch ein Rest von 560 Euro übrig, zum Beispiel für Hausbesuche und Chroniker-Ziffern."

Für noch mehr Sonografien fehlt die Zeit

24,41 Prozent der abgerechneten Leistungen seien im ersten Quartal über das RLV nicht honoriert worden. Impfungen, Disease-Management-Programme und andere Leistungen außerhalb des RLV rechnet der Hausarzt nach seiner Einschätzung durchschnittlich häufig ab.

Für einen Ausbau extrabudgetärer Leistungen wie zum Beispiel Sonografie oder Ergometrie fehlt ihm angesichts seiner Patientenklientel die Zeit. Der Anteil der Privatpatienten in seiner Praxis beträgt rund neun Prozent.

Auf seinen überdurchschnittlichen Rentneranteil sei bei der Bemessung des Regelleistungsvolumens keine Rücksicht genommen worden, findet der Hausarzt. Zwar hat er bei der KV Westfalen-Lippe wegen der hohen Zahl von Rentnern, Hausbesuchen und betreuten Altenheimbewohnern eine Praxisbesonderheit beantragt, bis jetzt steht eine Antwort aber noch aus. Gegen die Abrechnung für das erste Quartal hat Ellerbrock Widerspruch bei der KV eingelegt.

Ihm bleibt nur ein Fazit: "Die Behandlung chronisch kranker, älterer Patienten in häuslicher Umgebung und in Altenheimen mit den entsprechenden Hausbesuchen fließt überhaupt nicht mehr in die Abrechnung ein." Der Hausarzt zieht die Notbremse und will zunächst keine neuen Patienten in Altenheimen mehr übernehmen.

Was den Allgemeinmediziner besonders ärgert, ist die Tatsache, dass Hausärzte in anderen Bundesländern wesentlich besser gestellt sind als die in Westfalen-Lippe. "Da die KBV mit ihren 16 Länder-KVen nicht in der Lage ist, annähernd gleiche Fallpauschalen in allen Bundesländern zu realisieren, kann ich mich nur dem Hausärzteverband anschließen, der wenigstens für die Gruppe der Hausärzte bemüht ist, annähernd gleiche Honorare mit den Kassen auszuhandeln."

Suche nach Nachfolger ist "wahnsinnig schwierig"

Die vom Hausärzteverband angestrebte Pauschale von 80 Euro erscheint ihm dabei als ziemlich hoch, wenn auch berechtigt. Sein durchschnittlicher Fallwert im ersten Quartal 2009 betrug 36,84 Euro. "Es geht mir um einen angemessenen Betrag für meine Leistungen und nicht 36,84 Euro für den durchschnittlich behandelten Fall in meiner Praxis, wo allein 32,43 Euro nur durch die Versichertenpauschale abgedeckt sind." Zudem seien die Hausarztverträge eine Chance, wieder mehr Freiheit in der Arbeit zu bekommen.

Ellerbrock ist seit mehr als 20 Jahren im Ruhrgebiet tätig. Mit fast 60 Jahren hält er jetzt Ausschau nach einem Nachfolger für seine Einzelpraxis. "Das ist unter den aktuellen Bedingungen wahnsinnig schwierig."

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