Innovationspreis

Risikodiagnostik hilft Hausarzt bei Versorgung von Patienten

Mithilfe von Biomarkern will Hausarzt Dr. Karsten Reinhardt Krankheiten vorhersehen. Mit seinem System der Risikodiagnostik hat er sich am diesjährigen Innovationspreis beteiligt.

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Dr. Karsten Reinhardt ist Facharzt für Kieferchirurgie und Allgemeinmedizin in der Elbestadt Aken.

Dr. Karsten Reinhardt ist Facharzt für Kieferchirurgie und Allgemeinmedizin in der Elbestadt Aken.

© Petra Zieler

AKEN. Wenn Karsten Reinhardt in seinen Anfangsjahren als Kieferchirurg an der Medizinischen Akademie Magdeburg Patienten operierte, beschlich ihn oft das Gefühl, Krankheiten hinterherzulaufen.

Heute sagt der promovierte Allgemeinmediziner und Zahnarzt: "Wir brauchen ein neues Qualitätsmanagement, dessen Maßstab nicht das Geld, sondern die Gesundheit der Patienten ist." Mit Hilfe der Risikodiagnostik will er den Therapiebeginn vorverlegen.

Sein Prinzip des medizinischen Systems verbindet Grundlagenwissenschaften und technische Medizin mit der Praxis. "Ein einfaches Ziel, das eigentlich zur Ausübung des ärztlichen Berufes gehört."

Der Akener Hausarzt, der sagt, von Natur aus Evolutionstheoretiker zu sein, stützt sich auf die Systemmedizin, die Krankheit und Gesundheit als Störung des Zusammenspiels der Interaktionen in komplexen Netzwerken versteht. "Die Frage: Woher kommt Krankheit? hat mich schon immer umgetrieben."

Sie bewegte Karsten Reinhardt schließlich vor etwa drei Jahrzehnten dazu, den Klinikkittel an den Nagel zu hängen und sich in seiner Geburtsstadt Aken als Hausarzt niederzulassen. An der Basis hoffte er, Antworten und Lösungen zu finden.

Früh einsetzende Therapie

"Mein Ziel bei der Entwicklung wissenschaftlicher Grundlagen für die Arbeit in der eigenen Hausarztpraxis war, Krankheiten besser vorherzusehen, um die medizinische Betreuung zu optimieren."

Früh einsetzende Therapien (für Reinhardt gehören auch Aufklärung über eine zu ändernde Lebensweise, Sicherheit und Zuwendung dazu) sollten Probleme nach Möglichkeit verhindern beziehungsweise verzögern und den Verlauf abmildern.

Die Idee war, ableitend von der Intention der Genetik und der Prädiktion anhand bestimmter Biomarker konkrete Voraussagen zu treffen.

"Krankheitsbezogene Biomarker können quasi als Risikoindikator Informationen darüber liefern, ob eine Erkrankung droht, ob die Krankheit bereits besteht oder wie sie sich im Einzelfall wahrscheinlich entwickeln wird."

Mit seinem Konzept hat sich Reinhardt im vergangenen Jahr am Wettbewerb "Die innovative Arztpraxis 2013" beteiligt. Er war am Ende unter den Top 10 der Teilnehmer platziert.

Der Innovationspreis wird seit drei Jahren von der Fachverlagsgruppe Springer Medizin, zu der auch die "Ärzte Zeitung" gehört, und vom Biopharmaunternehmen UCB ausgeschrieben.

Moralische Unterstützung

Eine Art moralische Unterstützung erhielt der heute 63-Jährige durch die evidenzbasierte Medizin, die sich Mitte der 90er Jahre zunehmend etablierte und patientenorientierte Entscheidungen möglichst auf Basis empirisch nachgewiesener Wirksamkeit einfordert.

"Da einer Reihe von Erkrankungen, dazu gehören Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Rheumatoide Arthritis häufig ein frühes, symptomloses Krankheitsstadium voraus geht, können uns Biomarker helfen, Risikopersonen rechtzeitig und zuverlässig zu identifizieren", so der Arzt, der seine akribischen Dokumentationen seit nahezu zwei Jahrzehnten in eine prospektive Studie mit ständig neuen Parametern einfließen lässt.

Sein Risikodispensaire beruht auf drei theoretischen Säulen:

  • A: Anwendung evidenzgesicherter medizinischer Erkenntnisse über dispositionelle Risikofaktoren des Menschen.
  • B: Regulationstheoretisches Krankheitsmodell mit dem Kerngedanken, dass Krankheit eine irreguläre Reizantwortreaktion zugrunde liegt.
  • C: Umfassende Konditionierung als Sicherung für erreichten Status und Prognose.

Gerade letztgenannter Punkt sei ein Spiegelbild der Komplexität von Risikodispensaire und Beweis, dass wissenschaftliche Arbeit und medizinisch engagierter Patientenbetreuung in Einklang zu bringen sind.

"Nun könnte man mir entgegnen, dass unsere Honorierung gar nicht auf eine so umfassende Betreuung ausgerichtet ist. Falsch! Zumal Laborleistungen nicht budgetiert sind und im Regelfall nur ein zusätzlicher Biomarker ermittelt werden muss."

Diabetes mellitus unter der Lupe

Karsten Reinhardt begann seine prospektive, epidemiologische und analytische Studie am 1. Januar 1996. Messwert waren Ausprägungsformen von HLA (Human Leukozyten Antigen) DR4/B27 und Lipoprotein a, die in pathologisch repräsentativen Familien signifikant oft auftraten.

Diese Parameter verglich er mit dem Diabetes mellitus. Und bereits eine erste Zwischenauswertung 2008 zeigte, dass die Prognosezuverlässigkeit der Lp(a)- und HLA-Allele-Statistiken deutlich über der des Diabetes lagen.

Reinhardt: "Während die Diabetesgruppe einen Risikoprozentsatz für mögliche Komplikationen von 35,15 Prozent aufweist, sind es in der Lp(a)-Gruppe 60,47 und in der HLA-Allele-Gruppe 87,83 Prozent. Etwa die Hälfte der Diabetespatienten wies zudem beide molekulargenetischen Faktoren auf."

Einen entscheidenden Vorteil der Systemmedizin sieht der Arzt in der methodisch systematisierten Kontrolle drohender Krankheitsentgleisungen. Das kann sich sogar rechnen: Reinhardt schätzt, dass pro Praxis jährlich mindestens 250.000 Euro an Therapiekosten eingespart werden könnten.

Multipliziert mit der Anzahl basismedizinischer Ärzte (mehr als 50.000 in Deutschland) wären das rund 12,5 Milliarden Euro.

Utopie? Kaum einer von Reinhardts Patienten (1300 bis 1500 Scheine pro Quartal) müsse Insulin spritzen, nur ein einziger "hänge" an der Dialyse, berichtet der Hausarzt.

 "Wir bleiben heute hinter unseren Möglichkeiten zurück. Dabei müssen wir nur zusammenfügen, was da ist." Genau dafür sucht der Akener Allgemeinmediziner interessierte Kollegen, mit denen er sich austauschen, ein Netzwerk aufbauen und das System weiter entwickeln und vervielfältigen kann.

Innovationspreis 2014: Bewerben Sie sich jetzt mit innovativen Ideen für die Praxis!

Haben Sie eine innovative Idee, die Sie in Ihrer Praxis umsetzen wollen oder umgesetzt haben? Haben Sie Ihre Praxis perfekt organisiert, so dass Sie dem Versorgungsdruck durch immer mehr Patienten standhalten können, ohne selbst eine immer höhere Arbeitsleistung erbringen zu müssen? Haben Sie pfiffige Ideen, wie Sie Ihr Praxisteam motivieren können? Arbeiten Sie effizient mit moderner Medizintechnik, mit Hard- oder Software?

Wenn Sie eine dieser Fragen mit Ja beantworten können oder anderweitig in Ihrer Praxisführung innovatives Potenzial sehen, dann machen Sie mit beim Wettbewerb "Die innovative Arztpraxis 2014".

Der Preis ist eine Initiative des Biopharmaunternehmens UCB und der Fachverlagsgruppe Springer Medizin, zu der auch die "Ärzte Zeitung" gehört. Der Preis wird 2014 zum vierten Mal ausgeschrieben.

Sie können mit Ihrer Idee eine von drei Praxisberatungen vom Unternehmen HCC BetterCare (Köln) gewinnen. Die Bewerbung kann online erfolgen: Unter www.aerztezeitung.de/innovationspreis finden Sie ein Formular, über das Sie Ihre Idee und die Umsetzung kurz beschreiben können.

Dabei geht es darum, zu zeigen, worin der innovative Charakter Ihrer Idee besteht: ob sie die Patienten-Versorgung verbessern oder die Wirtschaftlichkeit Ihrer Praxis stärken kann oder ob Sie technisches Neuland betreten. Sie können auch weitere Dokumente zur näheren Beschreibung Ihrer Idee und der Umsetzung hochladen. Eine unabhängige Jury entscheidet über die drei Preisträger. Ihre Daten werden nur zur Ermittlung der Gewinner verwendet und nicht an Dritte weitergeleitet. Bewerbungen sind bis zum 30. November möglich. (ger)

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