Eine Zangengeburt: die Position zur Gesundheitspolitik

Etliche Stunden rang der Ärztetag um eine Neupositionierung zur Gesundheitspolitik. Kontrovers dabei: Selektivverträge und die Kostenerstattung.

Wolfgang van den BerghVon Wolfgang van den Bergh und Helmut LaschetHelmut Laschet Veröffentlicht:

DRESDEN. Die Verabschiedung des Vorstandsantrags zur Gesundheits-, Sozial- und ärztlichen Berufspolitik stellte sich als komplizierte Zangengeburt dar. Nach mehrstündigen und über weite Strecken kontroversen Beratungen verabschiedeten die Delegierten des Ärztetages den Entschließungsantrag. Zuvor mussten etwa ein Dutzend meist redaktionelle Änderungen eingefügt werden.

Als vordringlichste Aufgabe und Forderung an die Regierung stellten die Delegierten fünf Punkte heraus. Dabei handelt es sich um die Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung, die Steigerung der Attraktivität kurativer ärztlicher Tätigkeit, die Wirtschaftlichkeit der Arzneiversorgung, die Stärkung der Patientensouveränität und Eigenverantwortung der Versicherten sowie eine demografiefeste Sanierung der GKV.

In puncto Sicherstellung stimmten die Delegierten einem Antrag zu, wonach insbesondere Maßnahmen zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung getroffen werden sollen. Eine besondere Berücksichtigung von regionalen Ärztenetzen in der Versorgungsplanung wurde vom Ärztetag abgelehnt.

Der Einführung eines allgemeinen Kostenerstattungssystems mit sozialverträglicher Selbstbeteiligung wurde eine knappe, aber klare Absage erteilt. Mit 118 zu 95 Stimmen votierten die Delegierten gegen einen entsprechenden Antrag von Angelika Haus aus Nordrhein. Zuvor hatte das Thema für Diskussionsstoff gesorgt.

Der Hartmannbund und die Freie Ärzteschaft sehen darin ein Allheilmittel, die Unabhängigkeit der Ärzte zu wahren, Kosten- und Leistungstransparenz zu schaffen - aber auch die Prosperität des Berufsstandes zu sichern, während gleichzeitig der Wohlstand der Gesellschaft um mehrere Jahre als Folge der Wirtschaftskrise zurückgefallen ist. Allerdings blieb dem Ärztetag bewusst, dass er sich in den Vorjahren mit einer solchen Entscheidung zurückgehalten hatte - auch aus sozialen Gründen.

Mindestens ebenso erbittert wurde die Kontroverse um die neuen Selektivverträge für Haus- und Fachärzte ausgetragen. Immer noch sind sie für viele Delegierte die Saat einer rot-grünen Regierung mit dem Ziel, die Ärzte zu spalten und den Kassen mehr Macht zu geben, um Ärzte in Dumping-Verträge zu locken oder von Kapitalgesellschaften abhängig zu machen (Freie Ärzteschaft). Die Befürworter der neuen Vertragsformen sehen in ihnen ein Zukunftsmodell, das dem Nachwuchs bessere Chancen und Sicherheit bietet als die KV-Kollektivverträge, deren Komplexität kaum noch überschaubar ist. Außerdem: Ärzte wie Versicherte nehmen freiwillig daran teil. Lesen Sie dazu auch: Patientenrechte stärken - ohne Gesetz Vertrauen zählt mehr als das formale Recht Eine Zangengeburt: die Position zur Gesundheitspolitik Versorgungsforschung wird immer wichtiger Zöller: Keine Umkehr der Beweislast Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Die Wende verpasst

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