Oberstaatsanwalt

Antikorruptionsgesetz bringt Ärzte in Gefahr

Das Antikorruptionsgesetz ist nicht harmlos. Juristen rechnen mit dramatischen Änderungen für Ärzte und Unternehmen. Grund: Der Gesetzgeber lässt Vieles im Unklaren.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Korruptions-Klischee Geldübergabe. Ein Gesetz soll für Health Care Compliance sorgen.

Korruptions-Klischee Geldübergabe. Ein Gesetz soll für Health Care Compliance sorgen.

© Jesse Benjamin / panthermedia

BERLIN. Die vom geplanten Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen ausgehenden Gefahren für Ärzte und ärztliche Kooperationen sind manifest.

Wenn ein Staatsanwalt einen Anfangsverdacht hege, könne es zu Praxisdurchsuchungen, Untersuchungshaft und damit verbundenen Rufschäden kommen, warnte der Frankfurter Oberstaatsanwalt Alexander Badle vor Risiken, die entstehen könnten, auch ohne dass es zu einer Verurteilung komme.

Das Anschwärzen von Mitbewerbern auf dem 280 Milliarden Euro schweren Gesundheitsmarkt könne deshalb zu einem effektiven Marketinginstrument werden, warnte Badle beim Berliner Medizinrechtssymposium am Freitag in Berlin.

Badle weiß, wovon er spricht. Er ist Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen.

Angesichts unklarer Rechtsbegriffe und der oft mangelnden Expertise im Gesundheitswesen vieler seiner Kollegen sieht der Jurist dem Inkrafttreten des Gesetzes mit einem "unguten Bauchgefühl", ja sogar mit ein "bisschen Angst" entgegen.

Die Korruptionsdelikte des Strafgesetzbuches sind auf niedergelassene Ärzte bislang nicht anwendbar. Das soll sich ändern. Der Gesetzgeber hat in seinen Gesetzentwurf alle Angehörige verkammerter Heilberufe einbezogen.

Für Ärzte missliche Situation

Die ultima ratio des Strafrechts greife nur dann, wenn es eine klare Grenze gebe zwischen dem, was strafbar sei und dem was straflos bleiben solle. "Das sehe ich bei der Formulierung dieser Vorschrift nicht", sagte Badle.

Grundsätzlich könne sie jede Kooperation und Leistungsbeziehung im Gesundheitswesen erfassen. Die Abgrenzung zwischen einer zulässigen wirtschaftlichen Betätigung und einer strafbaren Unrechtsvereinbarung auf dem Gesundheitsmarkt könne sich in der Praxis der Strafverfolgung als schwierig erweisen.

"Der Gesetzgeber hat sich die Konkretisierungsarbeit erspart", stellte dazu auch Rechtsanwalt Dr. Maximilian Warntjen von der Berliner Kanzlei Dierks & Bohle fest. Rechtsanwalt Dr. Daniel Geiger kritisierte, dass der Gesetzgeber sich nicht entschieden habe, was genau er mit dem Straftatbestand schützen wolle.

Für manche Ärzte und Unternehmen kann dies bedeuten, dass sie durch die Mühlen der Justiz müssen, damit sich aus einer bestimmten Zahl von Urteilen ein Richterrecht herausbilden kann.

Die Fachleute rechnen nicht damit, dass der Gesetzgeber noch einmal tätig wird, um diese für Ärzte missliche Situation noch zu ändern.

Das Gesetz werde die Kassenärztlichen Bundesvereinigung und die Krankenkassen immer wieder vor die Frage stellen, ob sie bei einem Verdacht Anzeige erstatten, oder nicht, sagte Dr. Stephan Meseke, Leiter der Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen beim GKV-Spitzenverband. Die Institutionen müssten vermeiden, sich dem Verdacht der Strafvereitelung auszusetzen.

Wissenschaftler beziffern den Schaden, der durch Korruption im Gesundheitswesen entsteht, auf zwischen neun und 14 Milliarden Euro im Jahr.

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Bessere Sensitivität als FIT

Neue Tests spüren Darmkrebs recht präzise auf

Lesetipps
Eine warme Beleuchtung sorgt im Empfangsbereich für eine angenehme Atmosphäre.

© Javier De La Torre / Westend61 / picture alliance

Praxiseinrichtung

Licht an! Die richtige Beleuchtung in der Arztpraxis

Die Allianz Chronisch Seltener Erkrankungen warnt, die geplante Klinikreform bilde die besondere Situation für die Behandlung von Menschen mit seltenen Erkrankungen nicht ausreichend ab.

© Frank Molter / dpa

Sieben-Punkte-Papier mit Forderungen

ACHSE beklagt: Seltene Erkrankungen bei Klinikreform nicht berücksichtigt