Urteil

Auch im Psycho-PJ muss Leistung bezahlt werden

Überwiegt im Praktischen Jahr der Arbeitseinsatz für die Klinik den Ausbildungszweck, dann muss diese Arbeit auch bezahlt werden. So lautet ein Urteil, das aber noch nicht rechtskräftig ist.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Erbringt eine Psychotherapeutin im Praktischen Ausbildungsjahr umfangreiche Leistungen, muss dies auch honoriert werden.

Erbringt eine Psychotherapeutin im Praktischen Ausbildungsjahr umfangreiche Leistungen, muss dies auch honoriert werden.

© Klaus Rose

HAMM. Werden Psychotherapeuten für ihr Praktisches Ausbildungsjahr in einer Klinik nicht bezahlt, kann dies sittenwidrig sein.

Eine Vergütungspflicht besteht zumindest dann, wenn der angehende Psychotherapeut "in erheblichem Umfang eigenständige und für das Klinikum wirtschaftlich verwertbare Leistungen erbracht hat", für die sonst eine bezahlte Arbeitskraft hätte eingesetzt werden müssen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm in einem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil.

Damit bekam eine angehende psychologische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin recht. Sie hatte sich mit ihrer Klinik ursprünglich darauf geeinigt, dass für das Praktische Jahr keine Vergütung zu zahlen ist.

Doch als sie feststellte, dass die Ausbildungsbestandteile ihres Praktikums viel zu kurz kamen und sie stattdessen als vollwertige Arbeitskraft eingesetzt wurde, wollte sie dies auch honoriert haben.

Leistungen als Psychotherapeutin abgerechnet

Die Klägerin führte an, dass sie faktisch eigenständige Behandlungen vorgenommen habe. An vier Tagen pro Woche habe sie bei Patienten zahlreiche Tests zu Intelligenz, Rechtschreib- und Rechenschwäche, Depressionen oder auch Angststörungen durchgeführt, Hausbesuche ohne Begleitung gemacht oder Berichte für den Medizinischen Dienst verfasst. Wegen der personellen Unterbesetzung an der Klinik habe sie dieselbe Arbeitsleistung erbringen müssen wie festangestellte Psychotherapeuten.

Seien andere Therapeuten im Urlaub gewesen, habe es für sie eine Urlaubssperre gegeben. Eltern erkrankter Kinder sei sie als "zuständige Therapeutin" und nicht als Praktikantin vorgestellt worden.

Gegenüber den Krankenkassen sei ihre Arbeit als "Leistungen einer Psychotherapeutin" abgerechnet worden. Mit Blick auf die enge Eingliederung in den Arbeitsablauf sei der Ausbildungszweck ihres Praktischen Jahres "völlig untergeordnet" gewesen.

Klägerin bekommt recht

Die Klinik bestritt all dies. Die von der Klägerin durchgeführten Arbeiten hätten auch von anderen Team-Mitgliedern auf der Klinikstation erledigt werden können.

Es dürfe nicht sein, dass eine zügige und erfolgreiche praktische Ausbildung einer angehenden Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin zu einem "Arbeitsverhältnis" mutiere.

Die Klägerin habe aus fachtherapeutischer Sicht nichts zu sagen gehabt. Dass sie Berichte mit dem Zusatz "Psychotherapeutin" unterschrieben habe, gehe offenbar auf ihr Geltungsbedürfnis zurück.

Das LAG gab der Klägerin jedoch recht. Überwiege der Ausbildungszweck nicht deutlich die für den Betrieb erbrachten Leistungen, sei die Vereinbarung einer Unentgeltlichkeit der Tätigkeit sittenwidrig und damit unwirksam.

Zeugen zufolge habe die Klägerin einen durchaus "beachtlichen produktiven Arbeitsbeitrag" geleistet, für den das Klinikum ansonsten eine bezahlte Arbeitskraft eines Psychotherapeuten oder Psychologen hätte einsetzen müssen.

Revision zugelassen

Die Ausbildung habe eine nur untergeordnete Rolle gespielt. Die Klägerin habe letztlich etwa ein Viertel des Therapiepensums eines vollschichtig tätigen Psychotherapeuten erledigt, rechnete das LAG vor. Dafür sei ihr die übliche Entlohnung zu zahlen - monatlich 1000 Euro.

Das LAG hat Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.

Az.: 11 Sa 74/12

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